Stell dir vor, du schwebst. Langsam, sanft, die Welt unter dir wird kleiner und die Gipfel der Berge rücken näher. Du bist auf dem Weg nach Owakudani, dem Großen Kochtal, und schon die Fahrt dorthin ist ein Erlebnis für sich. Die Seilbahn gleitet über tiefe Täler, und mit jeder Minute, die du höher steigst, spürst du, wie die Luft kühler und klarer wird. Dann siehst du es: weiße Dampfsäulen, die aus der Erde emporschießen, ein rauchendes Herz in den Bergen.
Aber warte, bevor die Touristenmassen eintreffen, gibt es einen Moment, den nur die Wenigsten erleben. Wenn du früh genug da bist, noch bevor der erste Laden öffnet und die Seilbahn sich mit den Tagesbesuchern füllt, dann hörst du es. Nicht das Gemurmel der Menschen, nicht das Rauschen der Seilbahnen. Es ist ein tiefes, konstantes Zischen und Brodeln, ein Flüstern der Erde selbst. Du spürst, wie die kalte Morgenluft noch dichter ist, und der Schwefelgeruch, den du später am Tag als scharf und dominant wahrnimmst, ist jetzt anders. Er ist roher, erdiger, fast süßlich-herb, wie ein Atemzug direkt aus dem Inneren des Planeten. Es ist der Geruch der puren, ungezähmten Energie, und er hüllt dich ein, bevor der Tag erwacht.
Du gehst näher heran, vorbei an den aufsteigenden Dämpfen, die dir die Haut wärmen und die Kleidung leicht feucht werden lassen. Hier, wo die Erde so aktiv ist, entstehen die berühmten Kuro-tamago, die schwarzen Eier. Es ist nicht nur ein Snack; es ist ein Ritual. Stell dir vor, du hältst ein noch warmes Ei in der Hand, seine Schale ist von den Mineralien des vulkanischen Wassers tiefschwarz gefärbt. Du knackst es auf, spürst die zarte Wärme, die durch die Schale dringt, und atmest den leichten Schwefelgeruch ein, der sich mit dem Duft des gekochten Eis vermischt. Der erste Bissen ist cremig, leicht salzig, und jeder erzählt dir die Geschichte von den "sieben zusätzlichen Lebensjahren", die ihm nachgesagt werden. Es ist, als würdest du die Energie dieses Ortes direkt in dich aufnehmen – eine warme, erdverbundene Kraft, die dich von innen heraus erfüllt.
Okay, genug geschwärmt, hier ein paar praktische Tipps, damit dein Besuch genauso unvergesslich wird. Um nach Owakudani zu kommen, ist der Hakone Free Pass dein bester Freund. Der deckt die meisten Transportmittel in der Region ab – von Zügen über Busse bis hin zu den Seilbahnen und sogar dem Piratenschiff auf dem Ashi-See. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Nerven. Die beste Zeit für den Besuch? Wenn du dieses besondere Morgengefühl erleben möchtest, sei so früh wie möglich da, idealerweise mit der ersten oder zweiten Seilbahn. Das Wetter kann sich in den Bergen schnell ändern, also zieh dich im Zwiebelschichten-Prinzip an – auch im Sommer kann es oben kühl und windig sein. Und ganz wichtig: Wenn du empfindlich auf Schwefelgeruch reagierst oder Atemprobleme hast, sei vorsichtig. Manchmal kann der Geruch sehr intensiv sein, besonders an windstillen Tagen.
Owakudani ist nur ein Teil des Zaubers in Hakone. Plane unbedingt genug Zeit ein, um auch den Ashi-See zu erkunden, vielleicht mit einer Fahrt auf dem Piratenschiff, von dem aus du bei klarem Wetter einen atemberaubenden Blick auf den Fuji hast. Ein weiteres Highlight ist das Hakone Open-Air Museum, eine fantastische Mischung aus Kunst und Natur. Du kannst deinen Tag so gestalten, dass du Owakudani am Morgen besuchst, dann zum See fährst und am Nachmittag das Museum erkundest. Denk daran, dass die Seilbahnen und Attraktionen in Owakudani bei sehr schlechtem Wetter oder erhöhter vulkanischer Aktivität geschlossen werden können – check also immer die aktuellen Informationen, bevor du losfährst. Die Gegend ist zwar touristisch erschlossen, aber die Wege können steil sein, und es gibt viele Treppen. Wenn du Mobilitätseinschränkungen hast, informiere dich vorab über barrierefreie Optionen, da nicht alles leicht zugänglich ist.
Ich hoffe, das hat dir geholfen, Owakudani mit allen Sinnen zu erleben!
Bis bald auf der Straße,
Léa von unterwegs