Stell dir vor, du stehst am Fuße eines Berges, der nicht einfach nur ein Berg ist, sondern eine lebendige Geschichte, die atmet und dich einlädt. Yao Shan in Guilin ist so ein Ort. Schon bevor du ihn betrittst, spürst du eine besondere Ruhe, eine Vorfreude, die sich in deinem Bauch ausbreitet. Du hörst vielleicht das leise Zirpen der Zikaden oder das ferne Rauschen des Windes in den Bäumen. Der Duft von feuchter Erde und frischem Grün liegt in der Luft, ein Versprechen auf das, was kommt. Für mich beginnt das Abenteuer immer hier, am Fuße, wo die Seilbahnstation wartet. Es ist der perfekte Start, um sich langsam auf die Höhe einzustimmen, ohne gleich alle Energie zu verbrauchen. Du kommst ganz entspannt hierher, am besten mit einem Taxi oder einem der lokalen Busse, die dich direkt vor die Tür bringen.
Sobald du in der Seilbahn sitzt, spürst du, wie der Boden unter dir entschwindet und eine sanfte Bewegung dich nach oben trägt. Es ist ein leises Summen, das Geräusch der Rollen, die dich über die Drahtseile ziehen, und dann – Stille, abgesehen vom Wind, der leise gegen die Gondel streicht. Du fühlst, wie die Luft kühler und klarer wird, je höher du schwebst. Die Welt unter dir wird kleiner, winzig. Die unzähligen, runden Hügel, die Guilin so einzigartig machen, breiten sich aus wie ein riesiger Teppich unter dir. Es ist ein Gefühl von Losgelöstheit, fast wie Fliegen, das dich in seinen Bann zieht. Dieser Aufstieg ist kein Transportmittel, sondern schon Teil des Erlebnisses, ein langsames Eintauchen in die Weite.
Oben angekommen, trittst du aus der Gondel und spürst sofort die Weite. Ein tiefer Atemzug füllt deine Lungen mit der klaren, frischen Bergluft. Vielleicht hörst du das ferne Echo von Stimmen, die vom Wind getragen werden, aber hauptsächlich ist es ein Gefühl von Raum und Freiheit, das dich umhüllt. Geh zuerst direkt zum Hauptaussichtspunkt. Du wirst die Energie der Landschaft spüren, die sich vor dir ausbreitet – die unzähligen Karstgipfel, die sich wie grüne Wellen bis zum Horizont erstrecken. Es ist nicht nur ein Anblick, sondern eine Empfindung, ein Gefühl der Unendlichkeit, das dich erdet und gleichzeitig beflügelt. Nimm dir einen Moment Zeit, einfach nur zu sein, die Stille zu genießen und die Vibrationen dieses Ortes aufzunehmen.
Danach führt dich ein sanfter Weg zu den Teefeldern. Du spürst, wie sich der Untergrund unter deinen Füßen verändert, von festem Gestein zu weicherer Erde. Hier riecht es anders – ein subtiler, erdiger Duft von Teeblättern, gemischt mit der Frische des Grüns. Stell dir vor, wie du deine Hand über die feinen, samtigen Blätter gleiten lässt, die Wärme der Sonne auf deiner Haut spürst. Die Reihen der Teepflanzen sind so akkurat angelegt, dass du fast die Harmonie spüren kannst, die von ihnen ausgeht. Weiter oben, etwas versteckt, liegt der Yao-Tempel. Hier umfängt dich eine andere Art von Stille, eine spirituelle Ruhe. Vielleicht hörst du das leise Klimpern einer Gebetsglocke oder das Flüstern des Windes durch alte Bäume. Fühle die kühlen Steine unter deinen Fingern, die von Jahrhunderten der Geschichte erzählen. Dies ist der Ort, um innezuhalten und die Seele baumeln zu lassen. Überspringe die überfüllten Souvenirstände, die direkt am Hauptweg liegen – sie lenken nur ab. Konzentriere dich auf die Natur und die Stille.
Für den Rückweg nimmst du wieder die Seilbahn. Es ist ein sanftes Abschiednehmen von der Höhe, während du langsam wieder in die vertrautere Welt gleitest. Du spürst, wie die Luft allmählich wärmer wird und die Geräusche der Stadt wieder näher rücken. Das Beste hebe ich mir immer für den Schluss auf: Das Gefühl, etwas Besonderes erlebt zu haben. Wenn du unten ankommst, schließ für einen Moment die Augen. Lass die Eindrücke noch einmal durch dich hindurchfließen: die Kühle der Höhe, der Duft des Tees, die Weite des Panoramas. Es ist dieses Gefühl der Ruhe und des Staunens, das du von Yao Shan mit nach Hause nimmst. Ein perfekter Abschluss für einen Tag voller Eindrücke.
Lena von unterwegs