Du fragst dich, was man eigentlich in Vieux Lyon macht? Stell dir vor, du trittst durch eine unsichtbare Schwelle und die Zeit dreht sich zurück. Der Boden unter deinen Füßen ist nicht mehr der glatte Asphalt, den du kennst, sondern unregelmäßige, kühle Kopfsteinpflastersteine, die leise unter jedem Schritt knirschen. Links und rechts ragen hohe, schmale Häuser in den Himmel, ihre Fassaden erzählen Geschichten von Jahrhunderten, und du spürst die Kühle des alten Steins, wenn du eine Hand daran legst. Die Luft hier riecht anders – eine Mischung aus Feuchtigkeit, altem Holz und einem Hauch von frisch gebackenem Brot, das irgendwo aus einem Fenster weht. Ein fernes Stimmengewirr und das leise Klingeln einer Straßenbahn hallen durch die Gassen, aber hier unten, in den schmalen Durchgängen, umfängt dich eine fast greifbare Ruhe, die nur von deinen eigenen Schritten unterbrochen wird.
Und dann, plötzlich, während du durch die Gassen schlenderst, siehst du eine unscheinbare Tür, die einen Spalt offensteht. Du zögerst kurz, folgst aber deinem Gefühl und trittst ein. Plötzlich stehst du in einem Innenhof, der sich überraschend öffnet, umgeben von hohen Mauern, die den Himmel über dir zu einem schmalen Streifen reduzieren. Hier ist es still, nur das leise Plätschern eines Brunnens oder das Echo deiner eigenen Schritte bricht die Stille. Manchmal führen Wendeltreppen in die Höhe, manchmal öffnen sich weitere Gänge, die dich durch Gebäude hindurch zu einer ganz anderen Straße auf der anderen Seite führen – das sind die berühmten Traboules. Sie sind wie geheime Abkürzungen, alte Seidenhändlerwege, die die Bewohner seit Jahrhunderten nutzen. Wenn du eine findest, die offen ist, geh einfach durch, aber sei leise und respektvoll – hier wohnen Menschen. Achte auf kleine Schilder oder einfach auf Türen, die nicht ganz geschlossen sind; das ist oft dein Hinweis.
Nach all dem Entdecken knurrt der Magen, und der Duft, der sich jetzt durch die Gassen zieht, ist unwiderstehlich. Es ist der Geruch von deftiger, ehrlicher Küche – Schmorgerichte, Knoblauch, Wein. Du folgst ihm zu einem der berühmten 'Bouchons'. Stell dir einen Ort vor, der nicht schick ist, sondern gemütlich, mit rot-weiß karierten Tischdecken und einer lebhaften Geräuschkulisse: Lachen, angeregte Gespräche, das Klirren von Besteck und Gläsern. Hier geht es um das pure, unverfälschte Geschmackserlebnis. Die Portionen sind großzügig, die Aromen kräftig und tief. Es ist keine Haute Cuisine, sondern Soulfood, das dich von innen wärmt. Wähle einen Bouchon, der voll ist mit Einheimischen und dessen Speisekarte kurz und handgeschrieben wirkt – das ist oft ein gutes Zeichen für Authentizität. Erwarte keine englischen Menüs überall, aber die Gastfreundschaft ist meistens herzlich.
Mit vollem Bauch geht es dann bergauf. Stell dir vor, du steigst in eine kleine, historische Zahnradbahn – die Funiculaire. Sie ruckelt sanft an, und während sie dich den Hügel hinaufzieht, kannst du spüren, wie die Stadt unter dir kleiner wird. Die Geräusche des Vieux Lyon verblassen, ersetzt durch das leise Surren der Bahn und das Knarren der alten Technik. Oben angekommen, öffnet sich plötzlich alles. Der Wind streicht dir durch die Haare, und unter dir breitet sich ganz Lyon aus wie eine riesige Landkarte. Du siehst die roten Dächer, die beiden Flüsse, die sich durch die Stadt schlängeln, und in der Ferne die Alpen. Es ist ein Moment, in dem du die ganze Stadt atmen spürst, ein Blick, der dir die Dimensionen von Lyon erst richtig bewusst macht. Von Vieux Lyon aus folgst du einfach den Schildern zur Funiculaire-Station Saint-Jean; es gibt zwei Linien, die dich auf den Fourvière-Hügel bringen.
Ein paar Dinge, die dir den Besuch noch angenehmer machen: Zieh unbedingt bequeme Schuhe an! Die Kopfsteinpflaster sind wunderschön, aber nach ein paar Stunden können sie anstrengend werden. Am besten erkundest du Vieux Lyon morgens, wenn die Gassen noch ruhiger sind und die Sonne die alten Steine in ein warmes Licht taucht, oder spät nachmittags, wenn die Lichter angehen und eine magische Atmosphäre entsteht. Rechne damit, viel zu Fuß unterwegs zu sein – das ist der beste Weg, um die versteckten Ecken zu entdecken. Und keine Sorge, wenn du dich mal verläufst; das gehört hier zum Charme und führt oft zu den schönsten Entdeckungen.
Viel Spaß beim Entdecken,
Mika auf Tour