Stell dir vor, du lässt den Trubel Barcelonas hinter dir. Die Stadt wird kleiner im Rückspiegel, während die Landschaft sich öffnet, grüner wird. Du spürst, wie die Anspannung des Tages von dir abfällt, mit jedem Kilometer, der dich tiefer in das Herz Kataloniens trägt. Dann, plötzlich, taucht es auf: Oller del Mas. Nicht aufdringlich, sondern eingebettet in die sanften Hügel, fast wie ein Geheimnis, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Du parkst und atmest tief ein. Es ist ein Duft, den du sofort erkennst, auch wenn du ihn noch nie so klar wahrgenommen hast: Erde, Sonne, ein Hauch von Pinien und die ferne Süße reifer Trauben. Die Luft ist hier anders, klarer, friedlicher.
Du gehst die kurze Strecke vom Parkplatz zum Hauptgebäude und spürst den warmen Kies unter deinen Füßen. Rechts und links erstrecken sich die ersten Weinreben, noch nicht dicht, aber schon vielversprechend. Stell dir vor, wie die leichte Brise durch die Blätter fährt, ein leises Rascheln, wie ein Flüstern, das dich willkommen heißt. Es ist, als würde der Ort dich umarmen, dich einladen, langsamer zu werden, anzukommen. Die Sonne wärmt dein Gesicht, nicht brennend, sondern sanft, so wie man es sich von einem perfekten Nachmittag wünscht.
Wenn du ankommst, mach nicht den Fehler, sofort zum Weinverkauf zu stürmen oder dich durch die Lobby zu drängen. Das Wichtigste zuerst: Registriere dich für die Tour oder Verkostung, die du gebucht hast, aber dann nimm dir einen Moment. Schau dich um. Geh nicht sofort in den Laden, auch wenn die Flaschen locken. Überspringe den sofortigen Konsum und lass den Ort erstmal auf dich wirken. Ein erster Blick in den Innenhof des Schlosses, ein kurzer Gang an den Reben entlang direkt am Hauptgebäude – das gibt dir eine erste Orientierung und stimmt dich auf das ein, was kommt.
Danach führt dich dein Weg unweigerlich zu den Weinbergen selbst. Du spürst, wie der Boden unter deinen Füßen leicht uneben wird, wenn du die schmalen Pfade entlanggehst. Hör genau hin: Das leise Summen der Insekten, das Knistern trockener Blätter, wenn ein Windstoß durch die Reihen fegt. Und dann der Geruch! Er ist intensiver hier draußen, erdig, mit einer klaren Note von Feuchtigkeit, die aus dem Boden steigt, und dieser unverwechselbare, leicht herbe Duft der Weinreben, die sich in der Sonne aalen. Du kannst dir vorstellen, wie die Trauben an den Reben hängen, prall und saftig, auch wenn sie vielleicht noch nicht reif sind. Es ist ein Gefühl von Weite, von Ursprünglichkeit, das dich umgibt.
Der nächste Schritt führt dich in das Herz des Anwesens: das alte Schloss und seine Weinkeller. Sobald du die dicken Mauern betrittst, spürst du den Temperaturwechsel. Eine angenehme Kühle umfängt dich, ein Kontrast zur Wärme draußen. Die Luft hier riecht anders, schwerer, nach altem Stein, nach Holz und nach diesem tiefen, komplexen Aroma, das nur alte Weinkeller haben. Du hörst das leise Echo deiner Schritte auf dem Steinboden, ein Geräusch, das von Jahrhunderten widerhallt. Wenn du die Hand über die rauen Steinmauern gleiten lässt, spürst du die Kälte und die Unebenheiten, die Geschichten von Generationen erzählen. Es ist ein Ort, der Ehrfurcht einflößt und gleichzeitig eine tiefe Ruhe ausstrahlt.
Die Weinprobe ist das absolute Herzstück und sollte nicht überstürzt werden. Nimm dir Zeit für jeden Schluck. Schwenke das Glas, riech an dem Wein – versuch, die Aromen von Kirsche, Erde, Gewürzen oder was auch immer du wahrnimmst, wirklich zu identifizieren. Frag nach den passenden Speisen, die sie eventuell anbieten, wie den lokalen Käse oder die Wurst – das rundet das Erlebnis ab. Konzentrier dich auf die Nuancen, die du auf deiner Zunge spürst: die Säure, die Süße, die Tannine. Es ist kein Wettbewerb, sondern eine Reise für deine Sinne. Und hab keine Angst, Fragen zu stellen; die Leute dort lieben es, über ihren Wein zu sprechen.
Bevor du gehst, geh noch einmal nach draußen und such dir einen ruhigen Punkt mit Blick über die Weinberge, vielleicht von einer kleinen Anhöhe aus. Sieh, wie die Sonne langsam tiefer sinkt und die Reben in ein goldenes Licht taucht. Spür den Wind, der jetzt vielleicht etwas kühler geworden ist, auf deiner Haut. Atme noch einmal diesen einzigartigen Duft ein. Es ist ein Gefühl von Dankbarkeit für die Ruhe, die Schönheit und die Geschichten, die dieser Ort birgt. Du nimmst nicht nur Wein mit, sondern ein Gefühl von Frieden und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und der Geschichte.
Das Letzte, was du tun solltest, ist den Weinkeller-Shop zu besuchen. Aber nicht, um schnell etwas zu kaufen, sondern um in Ruhe auszuwählen. Überleg dir, welchen Wein du am liebsten hattest, welchen du mit nach Hause nehmen möchtest, um diese Erinnerung wieder aufleben zu lassen. Es ist der perfekte Abschluss, um ein Stück Oller del Mas mitzunehmen. Plane deine Abfahrt so, dass du nicht hetzen musst. Bleib vielleicht noch für einen letzten Kaffee oder ein Glas Wasser auf der Terrasse, bevor du dich wieder auf den Weg machst. Lass das Erlebnis wirklich sacken, bevor du in die Realität zurückkehrst.
Lena aus der Ferne