Wenn du an Reykjavik denkst, schweift dein Blick vielleicht zum Hallgrímskirkja oder zu den bunten Häusern. Aber ich sage dir: Dein Herz wird an der Faxaflói-Bucht wirklich schlagen. Stell dir vor, es ist Hochsommer in Island, so gegen Ende Juli. Die Sonne taucht das Wasser in ein goldenes Leuchten, das nie ganz verschwindet, selbst um Mitternacht nicht. Du stehst am Ufer, und die Luft ist überraschend mild, fast zärtlich auf deiner Haut. Du atmest tief ein und riechst nicht nur das Salz des Meeres, sondern auch einen Hauch von Freiheit, gemischt mit dem erdigen Duft der nahen Vulkanlandschaft. Es ist ein Duft, der sich in deine Erinnerung brennt. Du hörst das sanfte Plätschern der Wellen, die leise gegen die Steine am Ufer schlagen – kein lautes Tosen, eher ein beruhigendes Wiegen. Dazu gesellen sich die Rufe der Seevögel, die hoch über dir kreisen, und das leise Gemurmel der Menschen um dich herum. Es ist belebt, ja, aber nicht überfüllt. Es sind Menschen, die dieses Licht, diese Weite genießen, die lachen und flüstern, aber jeder scheint seinen eigenen kleinen Moment der Ruhe zu finden. Du spürst die Wärme der Sonne auf deinem Gesicht, während ein leichter, erfrischender Wind deine Haare streichelt. Die Welt fühlt sich weit und offen an, und du bist ein Teil davon.
Aber die Bucht ist ein Chamäleon, ihr wahres Wesen zeigt sich in jedem Wetter. Stell dir vor, ein Herbststurm zieht auf. Der Wind peitscht dir ins Gesicht, so stark, dass du kaum stehen kannst, und das Salz schmeckt direkt auf deinen Lippen. Die Wellen schlagen jetzt mit einer gewaltigen Kraft gegen die Küste, ein tiefes, donnerndes Grollen, das den Boden unter deinen Füßen vibrieren lässt. Es ist roh, wild, und doch unendlich faszinierend. An solchen Tagen ist die Bucht fast leer. Nur ein paar Hartgesottene trotzen den Elementen, eingepackt in dicke Schichten, ihre Gesichter vom Wind gerötet. Die Stimmung ist dramatisch, erhaben. Oder denk an einen grauen, stillen Wintertag, wenn der Himmel wie eine weiche Decke über allem liegt. Die Luft ist eisig und klar, du spürst jeden Atemzug in deiner Lunge. Das Meer ist ruhig, fast spiegelglatt, und die Geräusche sind gedämpft, nur das leise Knirschen des Schnees unter deinen Füßen, wenn du dich traust, näher ans Wasser zu gehen. Es ist eine Zeit der Stille und der Einkehr, fast meditativ.
Egal, wann du kommst, pack dich schlau ein. Selbst im Sommer kann der Wind frisch sein, also denk an Schichten: eine winddichte Jacke ist dein bester Freund, immer. Eine Mütze, die deine Ohren schützt, ist auch Gold wert, besonders wenn du länger draußen sein willst. Und feste, wasserabweisende Schuhe, damit du auch mal über die Kiesel oder feuchten Steine am Ufer gehen kannst, ohne nasse Füße zu bekommen. Wenn du die Bucht wirklich erleben willst, geh nicht nur am Hafen spazieren. Es gibt wunderschöne Wege entlang der Küste, die dich weg vom Trubel führen. Such dir eine Bank, setz dich hin und lass die Geräusche und Gerüche auf dich wirken. Wenn du Zeit hast, mach eine Bootstour von hier aus – die Walbeobachtungstouren starten oft direkt hier und geben dir eine ganz andere Perspektive auf die Weite des Wassers und die umliegenden Berge. Es ist ein anderes Gefühl, wenn der Boden unter dir schwankt und das salzige Spray auf dein Gesicht trifft.
Und da ist noch etwas Besonderes: Die Harpa, dieses glitzernde Konzerthaus, das direkt an der Bucht liegt. Wenn du dich ihm näherst, kannst du die Glasfassade fast singen hören, wenn der Wind durch die Strukturen pfeift. Es ist ein leises, melodisches Geräusch, das sich mit dem Rauschen der Wellen vermischt. Geh nah ran, berühr die kühle Glasfläche und spür die Kälte, die sie speichert. Es ist ein Ort, wo die Natur und die menschliche Kunst auf eine einzigartige Weise verschmelzen, wo du dich klein und doch unendlich verbunden fühlst. Die Faxaflói-Bucht ist mehr als nur ein Ort; sie ist ein Gefühl. Sie ist die ungezähmte Seele Islands, die du mit jedem Atemzug, jedem Geräusch und jeder Berührung erleben kannst.
Léa from the road