Stell dir vor, es ist noch dunkel, wenn dein Wecker klingelt. Eine ungewohnte Stille liegt über allem, nur das leise Summen der Klimaanlage oder das Rascheln der Palmen draußen durchbricht die frühe Morgenruhe. Du ziehst dir schnell etwas über, die Luft ist noch kühl auf deiner Haut, ein kleiner Vorgeschmack auf die Hitze, die der Tag bringen wird. Dann hörst du das Geräusch eines Motors, der näherkommt, und das Knirschen von Reifen auf Schotter. Du steigst ein, spürst den weichen Sitz unter dir und den leichten Ruck, als das Fahrzeug anfährt. Um dich herum schlafen noch alle, aber in dir wächst eine leise Aufregung, eine Vorfreude auf das, was kommt. Die Lichter der Stadt verschwinden langsam hinter euch, und du spürst, wie die Straße unter den Rädern gleichmäßiger wird.
Du fährst lange, wirklich lange. Irgendwann werden die Scheinwerfer ausgeschaltet, und der Himmel beginnt, sich langsam von einem tiefen Schwarz in ein zartes Grau zu verwandeln. Du lehnst dich zurück, spürst die Vibrationen des Motors durch den Boden deines Sitzes. Die Landschaft draußen ist weit und leer, nur hin und wieder ein kleiner Busch oder ein Fels, der aus dem Sand ragt. Die Luft, die durch das offene Fenster strömt, ist trocken und warm, du riechst den Staub und die Weite der Wüste. Es ist eine Stille, die nur das monotone Geräusch des Motors durchbricht – eine Stille, die dich umhüllt und dich spüren lässt, wie klein du in dieser unendlichen Landschaft bist. Du schließt die Augen für einen Moment und fühlst die Wärme der ersten Sonnenstrahlen auf deinem Gesicht, die jetzt langsam über den Horizont kriechen.
Dann spürst du, wie das Fahrzeug langsamer wird und schließlich zum Stehen kommt. Die Tür öffnet sich, und du trittst hinaus. Die Sonne brennt jetzt schon intensiv auf deine Haut, aber die Luft ist immer noch trocken. Du hörst das leise Murmeln anderer Stimmen, das Knirschen von Sand unter Schuhen. Du gehst einen kurzen Weg entlang, der Boden ist uneben und sandig. Und dann ist da dieser Moment: Du spürst eine unglaubliche Präsenz. Die Luft um dich herum scheint schwerer zu werden, erfüllt von etwas Uraltem. Du spürst die kühle, tiefe Schattenwand, die von etwas Großem geworfen wird, das vor dir aufragt. Es ist eine Masse aus Stein, so gewaltig, dass sie die Hitze der Sonne zu absorbieren scheint und dir eine kühle Brise entgegenwirft. Die schiere Größe lässt dich verstummen, du fühlst dich winzig und gleichzeitig tief verbunden mit der Zeit, die hier stillzustehen scheint.
Du gehst langsam näher, spürst die unebenen Steinplatten unter deinen Füßen. Dann betrittst du den Tempel. Sofort umhüllt dich eine kühle, feuchte Luft – ein willkommener Kontrast zur Hitze draußen. Der Boden unter dir ist glatt und abgenutzt von tausenden von Schritten. Du hörst das Echo deiner eigenen Schritte, wie sie sich in der Dunkelheit der riesigen Halle verlieren. Die Luft riecht leicht modrig, nach altem Stein und etwas Unbeschreiblichem, das nach Geschichte riecht. Deine Hand tastet vorsichtig an einer der Wände entlang, und du spürst die raue, kühle Oberfläche des Steins, die feinen Erhebungen der Reliefs unter deinen Fingerspitzen. Du spürst die unglaubliche Handwerkskunst und die Hingabe, die in jeden Zentimeter dieser Wände geflossen ist. Die Stille hier drin ist tief, fast andächtig, nur ab und zu unterbrochen von einem leisen Flüstern oder dem Klicken eines Verschlusses.
Gleich nebenan, nur einen kurzen Spaziergang entfernt, findest du einen weiteren Tempel. Er ist etwas kleiner, aber nicht weniger beeindruckend. Die Atmosphäre hier ist vielleicht ein wenig intimer, weniger erdrückend in seiner Größe, aber immer noch erfüllt von der gleichen Ehrfurcht. Du spürst die gleiche kühle Luft, die gleiche Stille, aber vielleicht mit einem Hauch von Sanftheit. Die Details der Schnitzereien fühlen sich hier anders an, feiner, vielleicht weiblicher in ihrer Ausstrahlung. Du kannst dir vorstellen, wie hier vor Tausenden von Jahren Gebete gesprochen wurden, wie die Gläubigen die Stille und die Präsenz der Göttin Hathor gespürt haben müssen. Es ist ein Ort, der dich einlädt, einen Moment innezuhalten und die Energie des Ortes auf dich wirken zu lassen.
Wenn du planst, die Tempel zu besuchen, ist der frühe Morgen der absolute Geheimtipp. Du kommst an, bevor die große Hitze des Tages einsetzt, und die Lichtverhältnisse sind magisch. Die meisten reisen mit organisierten Touren von Assuan aus, oft im Konvoi mit dem Bus, was die Anreise sicher und unkompliziert macht. Es gibt auch die Option, zu fliegen, aber die Busfahrt durch die Wüste ist ein Erlebnis für sich. Pack unbedingt viel Wasser ein, eine Kopfbedeckung und Sonnencreme. Bequeme, geschlossene Schuhe sind ein Muss, denn der Boden ist uneben und staubig. Für den Besuch selbst solltest du etwa zwei bis drei Stunden einplanen, um alles in Ruhe auf dich wirken zu lassen.
Vor Ort gibt es ein Besucherzentrum mit Toiletten, was nach der langen Fahrt sehr willkommen ist. Essen und Trinken sind direkt an den Tempeln kaum verfügbar, also sorge selbst für Proviant. Die Sicherheitskontrollen sind gründlich, aber schnell, und du wirst merken, dass alles gut organisiert ist. Der Weg zu den Tempeln führt über einen kleinen Hügel hinunter, der Rückweg ist entsprechend ein leichter Anstieg. Nimm dir Zeit, die Energie der Umgebung auf dich wirken zu lassen und die Stille abseits der Gruppen zu suchen. Es gibt ein paar kleine Verkaufsstände, aber der Fokus liegt klar auf den Tempeln selbst.
Wenn du dich von den Tempeln abwendest und den Rückweg antrittst, spürst du die Wärme der Sonne auf deinem Rücken. Die riesigen Steinfiguren werden kleiner und kleiner, bis sie nur noch als dunkle Umrisse vor dem weiten Blau des Himmels erscheinen. Du steigst wieder in dein Fahrzeug, spürst die Ermüdung in deinen Gliedern, aber auch eine tiefe Zufriedenheit. Die Geräusche der Wüste und das monotone Brummen des Motors begleiten dich auf der Rückfahrt. Du schließt die Augen und die Bilder der riesigen Götter, die Kühle des Tempelinneren und der Geruch von altem Stein bleiben in deiner Erinnerung. Es ist ein Gefühl, etwas wirklich Großartiges erlebt zu haben, etwas, das dich noch lange begleiten wird.
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