Stell dir vor, du lässt den Trubel Glasgows hinter dir. Die Stadt, die dich eben noch umarmt hat mit ihren Geräuschen und Gerüchen, wird kleiner im Rückspiegel. Vor dir liegt die offene Straße, und mit jedem Kilometer, den du gen Norden fährst, spürst du, wie die Luft klarer wird, kühler, reiner. Du atmest tief ein, und in deiner Lunge breitet sich eine Vorfreude aus, eine Ruhe, die du im Alltag so selten findest. Die grauen Häuser weichen satten Grüntönen, dann dunkleren Kiefernwäldern, und die Berge am Horizont werden nicht nur höher, sie werden greifbarer. Du spürst die leichte Vibration des Autos unter dir, während die Landschaft sich vor deinen Augen entfaltet – ein Versprechen von Weite und Stille.
Und dann bist du da. Die ersten hohen Bäume umarmen dich wie alte Freunde, ihre Äste rauschen im Wind und erzählen Geschichten. Du öffnest das Fenster, und der Duft von feuchter Erde, harzigem Kiefernholz und frischem Moos strömt dir entgegen, so intensiv, dass du ihn fast schmecken kannst. Das ist kein Geruch, das ist eine Umarmung der Natur. Du hörst das ferne Rauschen eines Flusses, das Zwitschern von Vögeln, und über allem liegt diese unendliche Stille, die nur von den Geräuschen des Windes und des Lebens hier draußen durchbrochen wird. Es ist, als würde die Zeit langsamer laufen, als würde jeder Atemzug dich tiefer in diese wilde Schönheit ziehen.
Für den Anfang würde ich dich direkt nach Rothiemurchus lotsen, genauer gesagt zum Loch an Eilein. Park dein Auto, steig aus und spür die kühle, frische Luft auf deiner Haut. Du hörst das Knirschen des Kieses unter deinen Füßen, während du dich dem See näherst. Der Weg hier ist einfach, fast flach, perfekt, um anzukommen und die Seele baumeln zu lassen. Du gehst unter uralten Kiefern hindurch, ihre Stämme sind rau und knorrig, bedeckt mit Flechten, die sich wie weiche Teppiche anfühlen. Stell dir vor, du legst deine Hand auf so einen Stamm – du spürst die Kühle und die Lebendigkeit des Baumes. Der See selbst ist ein Spiegel, und in seiner Mitte thront eine Burgruine auf einer kleinen Insel, umhüllt von einer Aura der Ruhe. Du kannst den leichten Wellenschlag hören, wenn der Wind über die Oberfläche streicht, und vielleicht das Plätschern eines Entenpaares.
Nach dieser sanften Ankunft würde ich dich ein Stück weiterführen, tiefer in die Wälder. Du wanderst auf weichen Pfaden, die mit Nadeln und Moos bedeckt sind, so dass deine Schritte kaum Geräusche machen. Plötzlich hörst du ein Geräusch – ein fernes Rauschen, das lauter wird, bis es sich als das Prasseln eines Wasserfalls entpuppt. Das ist der Ryvoan Pass mit dem An Lochan Uaine, dem Grünen See. Du spürst die Feuchtigkeit in der Luft, wenn du dich dem Wasser näherst, die Kühle, die von den Felsen und dem sprudelnden Wasser ausgeht. Das Besondere ist der See selbst: Sein Wasser hat einen unglaublichen türkisen Farbton, der so unwirklich wirkt, als hätte ihn jemand mit einem Pinsel gemalt. Leg deine Hand ins Wasser – es ist eiskalt, kristallklar und belebend.
Was du dir für den ersten Besuch sparen kannst, sind die ganz hohen Munros wie der Ben Macdui oder der Cairn Gorm selbst. Klar, die Aussicht ist atemberaubend, aber der Aufstieg ist anspruchsvoll, oft steinig und kann bei Wetterumschwung schnell gefährlich werden. Das ist nichts für einen entspannten Einstieg, bei dem du die Natur mit allen Sinnen aufnehmen willst, ohne dich zu verausgaben. Heb dir die großen Gipfel für ein anderes Mal auf, wenn du richtig fit bist und die passende Ausrüstung dabei hast. Konzentrier dich lieber auf die zugänglicheren, aber nicht weniger magischen Orte, die dir das Gefühl von Weite und Wildnis schenken, ohne dich an deine Grenzen zu bringen.
Heb dir das Beste für den späten Nachmittag oder frühen Abend auf: eine Fahrt durch das Glenmore Forest Park hoch zum Cairngorm Mountain Base Station. Du musst nicht rauffahren mit der Gondel, aber die Aussicht von hier unten ist schon gigantisch. Du stehst auf einer Anhöhe, die Luft ist dünner und kühler, und du riechst den scharfen Duft von Fels und Heide. Vor dir breitet sich eine unendliche Weite aus, die Hügel und Täler verschmelzen im sanften Licht der untergehenden Sonne. Du hörst nur den Wind, der dir um die Ohren pfeift, und das ferne Rufen eines Vogels. Wenn die Sonne langsam untergeht und die letzten Strahlen die Berggipfel in ein tiefes Rot tauchen, spürst du eine tiefe Ruhe, eine Verbundenheit mit dieser uralten Landschaft. Das ist der Moment, in dem du einfach nur da sein willst, alles andere vergessen.
Für die Übernachtung würde ich dir Aviemore als Basis empfehlen. Dort findest du von gemütlichen B&Bs bis zu Hotels alles. Pack unbedingt Schichten ein – das Wetter in den Cairngorms kann sich minütlich ändern. Eine gute wasserdichte Jacke und feste, wasserdichte Schuhe sind ein Muss, selbst wenn die Sonne scheint. Nimm dir immer genug Wasser und ein paar Snacks mit, denn unterwegs gibt es nicht viele Möglichkeiten, einzukaufen. Und ganz wichtig: Ein Auto ist hier dein bester Freund. Ohne bist du einfach zu eingeschränkt, um die wirklich magischen Ecken zu erreichen.
Lena unterwegs