Stell dir vor, du stehst am Rande eines alten Dschungels, die Luft ist feucht und warm, und du hörst das leise Summen der Insekten, vermischt mit dem fernen Ruf eines Vogels. Vor dir erhebt sich Ta Keo, ein Tempel, der anders ist als viele andere in Angkor. Er ist massiv, klar in seinen Linien, fast ein bisschen unfertig – und genau das macht ihn so besonders. Du spürst die Energie der Jahrhunderte, die in diesen Steinen steckt, eine stille Herausforderung, die dich einlädt, höher zu steigen.
Du gehst näher, der Boden unter deinen Füßen ist uneben, manchmal spürst du weiche Erde, dann wieder feste, alte Steine. Der Geruch von feuchter Erde und alten Blättern steigt dir in die Nase, durchsetzt von einem Hauch des Süßen, der von den blühenden Bäumen kommt. Dann siehst du sie: die Stufen. Sie sind steil, sehr steil, wie eine Leiter zum Himmel. Du legst die Hand auf den warmen Stein, er fühlt sich rau und uralt an, und du spürst die Anstrengung in deinen Beinen, während du dich Schritt für Schritt nach oben arbeitest. Der Wind fängt an, dir um die Ohren zu pfeifen, je höher du kommst, und du atmest tiefer ein, um die frische Luft in deine Lungen zu bekommen.
Oben angekommen, ist die Welt plötzlich weit. Du spürst den Wind, der über die Baumwipfel streicht, und hörst nur noch das Rauschen in deinen Ohren. Dein Blick schweift über das grüne Meer des Dschungels, das sich bis zum Horizont erstreckt. Es ist ein Gefühl von unglaublicher Weite und Stille. Meine alte kambodschanische Freundin, eine Großmutter mit einem Lächeln voller Weisheit, hat mir einmal erzählt, dass die Götter diesen Tempel nicht vollendet haben, weil sie den Menschen zeigen wollten, dass nicht die Perfektion das Ziel ist, sondern die Anstrengung und der Glaube, die man in etwas steckt. Sie meinte, Ta Keo sei ein Ort, der dich lehrt, dass der Weg genauso wichtig ist wie das Erreichen des Gipfels, und dass die Energie, die man in Träume investiert, für immer in den Steinen verbleibt.
Wenn du Ta Keo besuchen willst, zieh unbedingt bequeme, feste Schuhe an. Die Stufen sind, wie gesagt, extrem steil und uneben, da gibt es keine Geländer oder Hilfen. Am besten gehst du früh morgens oder spät nachmittags, um die Mittagshitze zu vermeiden. Nimm dir auch genug Wasser mit, denn der Aufstieg ist anstrengend und oben gibt es keine Verkäufer.
Ta Keo liegt zentral in der Angkor-Anlage, oft wird er zwischen Angkor Wat und Angkor Thom besucht. Plane genug Zeit ein, nicht nur für den Aufstieg, sondern auch, um oben die Ruhe und die Aussicht zu genießen. Es ist nicht überlaufen wie andere Tempel, was ihm eine ganz besondere, fast meditative Atmosphäre verleiht. Lass dich einfach auf diesen Ort ein, spür die Geschichte und die Energie, die er ausstrahlt.
Olya from the backstreets