Stell dir vor, du verlässt das geschäftige Venedig. Die engen Gassen, das Plätschern der Kanäle und der salzige Geruch der Lagune weichen langsam der Weite des Landes. Du spürst, wie die Luft kühler und klarer wird, während die flachen Landschaften zu sanften Hügeln und dann zu immer höheren, imposanteren Bergketten anwachsen. Du hörst nicht mehr das Stimmengewirr der Stadt, sondern das gleichmäßige Brummen des Motors und bald vielleicht schon das leise Rauschen eines Bergbaches. Um dorthin zu gelangen, kannst du einen Direktbus nehmen – die Verbindungen sind überraschend gut, aber rechne mit einer Fahrt von ein paar Stunden. Oder du mietest ein Auto; das gibt dir die unglaubliche Freiheit, anzuhalten, wo immer dich ein Ausblick oder ein kleiner Ort lockt. Das ist mein absoluter Tipp!
Und dann, ganz plötzlich, sind sie da. Diese unfassbaren, grauen Giganten, die wie schroffe Türme in den Himmel ragen. Du legst den Kopf in den Nacken und staunst über die schiere Größe. Die Sonne malt Schatten und Lichter auf die zerklüfteten Wände, und du atmest tief ein. Es riecht nach Nadelbäumen, nach feuchter Erde und nach einer Frische, die du in der Stadt vermisst hast. Hier oben ist die Stille anders, tiefer, nur ab und zu unterbrochen vom Ruf eines Vogels oder dem fernen Bimmeln einer Kuhglocke. Bleiben kannst du in größeren Orten wie Cortina d'Ampezzo, wo es alles von schicken Hotels bis zu gemütlichen Pensionen gibt. Oder du suchst dir ein kleines, ursprüngliches Bergdorf; da ist es oft noch ruhiger und man taucht tiefer ins lokale Leben ein.
Was du hier *machst*? Du gehst. Du spürst den Kies unter deinen Sohlen, der mal fest ist, mal ein bisschen nachgibt, wenn du einen Hang hinaufsteigst. Du wanderst durch lichte Wälder, wo Sonnenstrahlen durch die Blätter tanzen und den Waldboden wärmen, bevor du wieder in den kühlen Schatten eines Felsvorsprungs trittst. Du riechst das Harz der Bäume, das feuchte Moos, das süße Aroma von Wildblumen, das vom Wind herangetragen wird. Dein Atem geht gleichmäßig, manchmal ein bisschen angestrengt, wenn der Weg steiler wird, aber dann kommt die Belohnung: ein Panorama, das dir den Atem raubt und dich die Anstrengung vergessen lässt. Für Wanderungen brauchst du keine High-Tech-Ausrüstung, aber feste, knöchelhohe Wanderschuhe sind Gold wert. Pack immer genug Wasser und ein paar energiereiche Snacks ein, und eine leichte Jacke für den Wind, der in den Höhen pfeifen kann.
Und dann sind da diese Seen. Stell dir ein Blau vor, das du noch nie gesehen hast – so tief, so klar, dass du jeden Stein am Grund erkennen kannst. Am Pragser Wildsee zum Beispiel, da spürst du die kühle, klare Luft, die vom Wasser aufsteigt. Du kannst deine Hand ins eiskalte Wasser tauchen und die kleinen Wellen fühlen, die sanft ans Ufer schlagen. Die majestätischen Berge spiegeln sich perfekt auf der Oberfläche, und es ist so still, dass du fast dein eigenes Herz schlagen hörst. Manche Seen kannst du auf gut ausgebauten Wegen umrunden; das ist ein einfacher Spaziergang, der dir immer wieder neue Perspektiven auf das Wasserspiel und die Felsen eröffnet. An einigen Orten wie dem Pragser Wildsee kannst du auch ein Ruderboot mieten, um wirklich mittendrin zu sein und die Ruhe vom Wasser aus zu genießen.
Nach so viel Bewegung knurrt der Magen, und genau dafür gibt es hier die *Rifugios* – die Berghütten. Stell dir vor, du kommst in eine warme Stube, es riecht nach deftigem Essen, nach Holzfeuer und starkem Kaffee. Du setzt dich an einen groben Holztisch und fühlst die wohlige Wärme, die sich von innen ausbreitet. Du schmeckst Polenta mit Pilzen, einen herzhaften Kaiserschmarrn mit Apfelmus oder ein Brettl mit Speck und Käse, der auf der Zunge zergeht. Dazu ein Glas Wein oder ein kühles Bier. Das ist nicht nur Essen, das ist gelebte Gastfreundschaft und die wohlverdiente Belohnung für deine Wanderung. Oft sind die Hütten nur zu Fuß erreichbar, was das Erlebnis noch besonderer macht, aber es gibt auch einige mit Zufahrt. Wichtig: Nimm immer etwas Bargeld mit, da nicht überall Kartenzahlung möglich ist.
Die Dolomiten sind auch ein Fest für die Augen, wenn das Licht sich ändert. Gerade am Abend, wenn die Sonne langsam hinter den Bergkämmen versinkt, färben sich die Felsen in unglaublichen Rot- und Orangetönen – das nennen sie hier "Enrosadira". Du stehst da, spürst die kühler werdende Luft auf deiner Haut und siehst, wie die Bergriesen zu glühen beginnen. Es ist ein magischer Moment, der dir eine Gänsehaut beschert und dich tief berührt. Such dir einen Pass wie den Giau-Pass oder einen höher gelegenen Aussichtspunkt mit freiem Blick, um dieses Naturschauspiel in vollen Zügen zu erleben. Frühaufsteher werden mit ähnlichen, oft noch intensiveren Farben beim Sonnenaufgang belohnt, wenn der Nebel noch mystisch in den Tälern hängt.
Wenn du die Dolomiten dann wieder verlässt, nimmst du nicht nur Fotos mit, sondern ein tiefes Gefühl von Weite und Ruhe. Du spürst noch das Kribbeln in den Beinen von den Wanderungen, den Duft der Nadelbäume in der Nase und die Erinnerung an die unglaublichen Farben, die du gesehen hast. Du bist erfrischt, geerdet und ein bisschen demütig vor der unbändigen Kraft der Natur. Es ist ein Ort, der dich nicht nur beeindruckt, sondern wirklich in deinem Innersten berührt.
Max von unterwegs