Savannah. Allein der Name flüstert Geschichte. Aber nirgendwo spürst du sie so tief in deinen Knochen wie im Colonial Park Cemetery. Stell dir vor, du trittst durch ein altes Tor, und plötzlich fällt die Hitze der Stadt von dir ab. Die Luft wird kühler, schwerer, erfüllt von einem Geruch nach feuchter Erde und altem Stein. Du hörst nicht mehr das Hupen der Autos, sondern nur noch das leise Rascheln des spanischen Mooses, das wie graue Vorhänge von den uralten Bäumen hängt. Jeder Schritt auf dem unebenen Pfad ist ein Echo aus der Vergangenheit.
Wenn du diesen besonderen Ort betreten möchtest, beginn am besten am Haupttor an der Abercorn Street. Geh einfach geradeaus, folge dem breiten Hauptweg, der sich wie ein Rückgrat durch den Park zieht. Du spürst sofort den Unterschied unter deinen Füßen – von hartem Asphalt zu weicherem, leicht feuchtem Boden. Links und rechts von dir ragen die ersten alten Grabsteine auf, manche so verwittert, dass ihre Inschriften kaum noch zu ertasten sind. Hier sind die ältesten Gräber, die noch aus der Gründungszeit stammen. Es ist ein stilles Ankommen, ein Abtasten der Zeit.
Nachdem du die ersten Reihen passiert hast, biege links ab und lass dich von den verschlungenen Pfaden tiefer in das Herz des Friedhofs ziehen. Hier stehen die Grabsteine dichter beieinander, einige sind schief, andere liegen flach im Gras. Fühl mal die Kühle des Steins, wenn du vorsichtig mit der Hand darüberstreichst. Du wirst die grobe Textur des Granits und die glattere Oberfläche von Marmor unterscheiden können. Manche Steine sind so von Moos und Flechten überwuchert, dass sie sich anfühlen wie samtige Kissen. In diesem Bereich liegen viele Opfer der Gelbfieber-Epidemien begraben – ganze Familien auf einmal. Es ist ein Ort, der dir die Zerbrechlichkeit des Lebens spürbar macht, ohne dass du ein einziges Wort lesen musst.
Folge dem Pfad weiter, der sich nun etwas lichtet und zu einer offeneren Fläche führt. Das ist der Bereich, der früher als „Dueling Grounds“ bekannt war. Stell dir vor, wie hier in den frühen Morgenstunden Männer standen, ihre Ehre verteidigend, mit weitreichenden Konsequenzen. Auch wenn du nichts siehst, kannst du die Spannung, die diesen Ort einst erfüllte, fast noch in der Luft liegen spüren – ein kribbelndes Gefühl, das sich von der allgemeinen Ruhe abhebt. Es ist ein kleiner, unscheinbarer Abschnitt, aber er erzählt eine riesige Geschichte über die rauen Zeiten Savannas.
Für den absoluten Höhepunkt deines Besuchs, den ich mir immer für den Schluss aufhebe, steuere den nördlichen Teil des Friedhofs an. Hier findest du etwas wirklich Einzigartiges: Hunderte von Grabsteinen, die nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz stehen, sondern akkurat an den Mauern des Friedhofs aufgereiht wurden. Es fühlt sich an, als wären sie von einem gigantischen, unsichtbaren Gärtner ordentlich gestapelt worden. Du kannst die glatten, kalten Oberflächen der Steine eine nach der anderen ertasten, ihre verschiedenen Formen und Größen wahrnehmen. Es ist eine seltsame, fast unheimliche Schönheit – ein Denkmal für die Effizienz, die hier einst die Pietät übertrumpft hat. Die Energie dieses Ortes ist anders, weniger persönlich, dafür umso eindringlicher in seiner schieren Masse. Hier spürst du nicht nur die Geschichte einzelner Menschen, sondern die Geschichte einer ganzen Stadt, die sich im Wandel befindet.
Mein Tipp für dich: Nimm dir Zeit. Dies ist kein Ort, den man im Eiltempo durchläuft. Und ehrlich gesagt, gibt es hier nichts wirklich zu „überspringen“. Jeder Bereich hat seine eigene leise Geschichte. Konzentriere dich darauf, zu fühlen, zu lauschen, zu riechen. Geh am besten morgens oder am späten Nachmittag, wenn das Licht sanfter ist und weniger Leute unterwegs sind. Dann hast du den Ort fast für dich allein, und die Atmosphäre kann sich ganz entfalten. Sei respektvoll, es ist immer noch eine Ruhestätte.
Olya from the backstreets