Hey du,
wenn ich einen Freund oder eine Freundin mit nach Athen nehmen würde, dann gäbe es einen Ort, der ganz oben auf meiner Liste stünde, und den wir ganz besonders erleben würden: Anafiotika. Stell dir vor, du bist mitten in der pulsierenden Stadt, und plötzlich – plopp! – tauchst du in eine andere Welt ein. Das ist Anafiotika.
Der erste Atemzug: Dein Startpunkt
Für mich beginnt unser Abenteuer am besten von der Tripodon-Straße aus, die sich sanft den Akropolis-Hügel hinaufschlängelt, kurz bevor sie in die Theorias-Straße übergeht. Hier, wo der Trubel von Plaka langsam leiser wird, spürst du schon, wie die Luft sich verändert. Du hörst noch das ferne Gemurmel der Stadt, aber es wird gedämpfter, wie ein Echo aus einer anderen Zeit. Stell dir vor, du gehst diese alten, unebenen Steine hinauf, und mit jedem Schritt wird es ruhiger. Du spürst die Wärme der Sonne auf deiner Haut, aber auch schon die kühle Brise, die durch die engen Gassen zieht.
Eintauchen ins Labyrinth: Dein Weg durch Anafiotika
Jetzt fängt es an. Du biegst ab, und plötzlich stehst du vor den ersten strahlend weißen Häusern. Es ist, als hätte jemand ein Stück einer Kykladeninsel genommen und es sanft hierher auf den Fels der Akropolis gesetzt. Die Gassen sind so schmal, dass du oft kaum die Arme ausbreiten kannst. Du gehst, und deine Fingerspitzen streifen fast die rauen, weiß getünchten Wände, die sich rechts und links von dir erheben.
Was du riechst? Eine Mischung aus feuchtem Stein, dem süßlichen Duft von Jasmin, der sich um die kleinen Fenster rankt, und dem erdigen Geruch alter, trockener Erde. Manchmal weht ein Hauch von Bougainvillea vorbei, so lebendig und farbenfroh, dass du fast das Gefühl hast, die Blütenblätter unter deinen Fingern zu spüren, wenn du sie berührst.
Du hörst hier keine Autos, nur das leise Summen der Bienen, die in den Topfpflanzen vor den Türen herumschwirren, das sanfte Meckern einer Katze, die sich auf einer warmen Treppenstufe räkelt, und vielleicht das leise Klappern von Geschirr aus einem geöffneten Fenster. Das ist das Geräusch des Lebens, das hier still und friedlich seinen Gang geht.
Was du getrost "überspringen" kannst: Den Drang, eine Karte zu benutzen oder dich zu orientieren. Anafiotika ist ein Ort, an dem du dich verlieren *sollst*. Lass dich einfach treiben. Manchmal führt eine Gasse zu einer privaten Tür, manchmal zu einem kleinen Treppenabsatz, von dem aus du nur den blauen Himmel siehst. Das ist okay. Der Charme liegt im Entdecken, nicht im Ankommen an einem bestimmten Punkt. Es gibt hier keine großen Sehenswürdigkeiten, die man abhaken muss. Es ist das Gefühl, das zählt.
Der Höhepunkt: Ein Moment der Stille
Nachdem du dich durch die Gassen schlängelt hast, immer wieder überrascht von kleinen, versteckten Ecken mit winzigen Kirchen oder einem einsamen Zitronenbaum, heben wir uns das Beste für den Schluss auf. Folge den Pfaden, die dich ganz natürlich etwas höher führen. Du wirst irgendwann auf eine der kleinen, unauffälligen Kapellen stoßen, wie die des Agios Georgios tou Vrachou oder des Agios Symeon.
Such dir einen Platz auf einer der alten Steinbänke davor. Du spürst die Wärme des Steins unter dir. Hier, oben auf dem Hügel, öffnet sich der Blick. Du siehst nicht die ganze Stadt, aber du siehst über die Dächer von Anafiotika hinweg, über die Plaka, und in der Ferne glitzert das Meer. Es ist ein Moment der absoluten Ruhe. Du hörst nur den Wind, der leise Geschichten in die Olivenbäume flüstert, und vielleicht das ferne Läuten einer Kirchenglocke. Es ist, als würde die Zeit hier stillstehen. Fühl, wie der Frieden dich umhüllt. Das ist dein letzter, tiefster Atemzug in Anafiotika.
Ein paar herzliche Hinweise für deine Reise
* Beste Zeit: Früh am Morgen oder am späten Nachmittag, um die größte Hitze und die wenigen Touristen zu vermeiden. Dann ist die Atmosphäre am magischsten.
* Schuhe: Unbedingt bequeme Schuhe! Die Wege sind uneben, steinig und oft rutschig.
* Respekt: Anafiotika ist ein Wohnviertel. Sei leise, respektvoll und achte die Privatsphäre der Bewohner. Es gibt keine Cafés oder Geschäfte in den Gassen, nur ein paar freundliche Katzen.
* Trinken: Nimm eine Flasche Wasser mit. Es gibt keine Möglichkeit, hier etwas zu kaufen, und die Sonne kann intensiv sein.
Das ist dein Anafiotika. Ein Ort, den man nicht nur sieht, sondern fühlt.
Alles Liebe,
Olya from the backstreets