Stell dir vor, du stehst im Herzen Palermos, in der Vucciria. Aber nicht zur geschäftigen Mittagszeit, sondern viel früher. Die Luft ist noch kühl und trägt den schwachen, salzigen Atem des Meeres mit sich. Du gehst langsam, deine Schritte hallen ein wenig zu laut auf den alten Kopfsteinpflastern. Es ist noch nicht der Markt, den du von Bildern kennst. Du hörst es zuerst: ein sanftes, rhythmisches Klirren, wie ferne Glocken, aber metallisch. Es ist das Geräusch der alten Metallrollläden, die entlang der engen Gassen einer nach dem anderen hochgezogen werden. Dann ein tiefes Grollen, das näherkommt – die ersten Handkarren, beladen mit Kisten, rollen über die unebenen Steine, ihre Holzräder protestieren leise. Es ist eine leise Symphonie des Erwachens, ein geheimes Flüstern, das nur der Markt selbst wirklich hört, bevor die Stadt ganz erwacht.
Und dann die Gerüche. Nicht das überwältigende Chaos der Mittagszeit, sondern etwas viel Nuancierteres. Ist es Spätherbst, früher Winter, nimmst du eine eigenartige Feuchtigkeit in der Luft wahr, einen sauberen, erdigen Duft alten Steins, vermischt mit dem scharfen, fast medizinischen Aroma frischer Zitrusfrüchte – Orangen und Zitronen, gerade erst abgeladen, deren Zesten die kühle Morgenluft schon parfümieren. Aber im Hochsommer ändert sich das. Die Luft wird dichter, wärmer. Der dominante Duft verschiebt sich zu etwas Schwererem: der tiefe, salzige Geruch von frischem Fisch aus dem nahen Meer, vermischt mit dem süßen, fast klebrigen Duft sonnenwarmer, reifer Feigen und Pfirsiche, ein Hauch von etwas, das in der Hitze fermentiert, und das unverkennbare, wohlige Aroma von heißem Öl von den ersten Panelle-Ständen, die gerade zu brutzeln beginnen.
Wenn du dieses Palermo erleben willst, das die Touristen oft verpassen, dann vergiss den Mittagstrubel. Stell dir den Wecker und sei da, wenn die Sonne gerade über die Dächer lugt. Such nicht nach dem größten Stand, sondern schau in die schmalen Nebengassen. Dort siehst du vielleicht einen alten Mann, der seine Artischocken noch von Hand putzt, oder eine Nonna, die die ersten Oliven für den Tag sortiert. Kauf einen kleinen Espresso an einer der winzigen Bars, die gerade erst ihre Türen öffnen. Es geht nicht darum, viel zu kaufen, sondern darum, zu beobachten, wie das Leben hier beginnt. Sei einfach da, atme ein und lass die Stimmung auf dich wirken.
Du merkst, wie der Markt atmet. Der Boden unter deinen Füßen, der Jahrhunderte von Schritten gesehen hat, fühlt sich kühl und uneben an. Wenn die Sonne höher steigt, spürst du die Wärme, die von den alten Steinwänden abstrahlt, die die Gassen einrahmen. Die Stimmen werden lauter, mischen sich zu einem Chor aus Rufen, Lachen und den rhythmischen Schlägen der Messer auf den Schneidebrettern. Es ist ein lebendiger Organismus, und wenn du genau hinhörst, kannst du die subtilen Veränderungen in seiner Melodie hören – die Begrüßungen, die von einem einfachen "Buongiorno" zu einem lebhaften "Ciao, come stai?" werden, wenn die Vertrautheit des Tages einsetzt. Es ist die Vucciria, die sich selbst gehört, nicht die für die Kameras.
Und genau das ist es, was die Vucciria so besonders macht – ihre Fähigkeit, ihre Geheimnisse nur denen zu offenbaren, die bereit sind, wirklich zuzuhören und zu fühlen. Bis zum nächsten Mal auf der Straße!
Olya aus den Gassen