Na, meine Liebe, du fragst, was man in der Basilika St. Michel in Bordeaux so "macht"? Das ist keine Frage nach einer To-Do-Liste, das ist eine Frage nach einem Gefühl, einem Erlebnis. Stell dir vor, du bist in Bordeaux, die Sonne wärmt deine Haut, und plötzlich, wenn du durch die engen Gassen schlenderst, erhebt sich da etwas Gewaltiges. Du hebst den Kopf, und dein Blick wandert unaufhörlich nach oben, immer weiter, bis dein Nacken schmerzt. Da ist er, der freistehende Glockenturm, die "Flèche", der sich wie ein Finger gen Himmel streckt. Um dich herum hörst du das geschäftige Treiben des Viertels, das Lachen von Leuten, das Klappern von Tassen aus den Cafés, aber über all dem thront diese alte Dame, still und erhaben. Du spürst die Geschichte in der Luft, eine Mischung aus Altem und Lebendigem, das dich unweigerlich anzieht.
Du beginnst den Aufstieg, Stufe für Stufe. Zuerst breit und massiv, dann enger, spiralförmig. Du legst die Hand auf den kühlen, rauen Stein, der unzählige Hände vor dir getragen hat. Der Klang deiner eigenen Schritte hallt wider, und je höher du kommst, desto kühler und frischer wird die Luft. Du spürst den leichten Luftzug, der durch die Öffnungen streicht und dir ins Gesicht weht. Dann, plötzlich, erreichst du die Spitze. Ein tiefer Atemzug. Unter dir breitet sich Bordeaux aus wie ein Teppich – die roten Dächer, die Garonne, die geschäftigen Straßen, die jetzt wie kleine Bänder wirken. Du spürst die Weite, die Freiheit, den Wind, der dir durch die Haare fährt und dir die Geräusche der Stadt von oben zuträgt, gedämpft und doch so lebendig. Es ist ein Moment der absoluten Perspektive, der dir zeigt, wie klein du bist und wie groß die Welt um dich herum.
Wenn du dann die schweren Holztüren der Basilika selbst aufdrückst, umfängt dich sofort eine ganz andere Atmosphäre. Ein tiefer, kühler Atemzug. Der Duft von altem Stein, vielleicht ein Hauch von Weihrauch, wenn gerade ein Gottesdienst war, liegt in der Luft. Das geschäftige Treiben der Straße verstummt abrupt, ersetzt durch eine tiefe, fast ehrfürchtige Stille, die nur gelegentlich vom leisen Flüstern oder dem Knarren einer alten Bank durchbrochen wird. Du spürst die Kühle auf deiner Haut, einen direkten Kontrast zur Wärme draußen. Deine Augen gewöhnen sich langsam an das gedämpfte Licht, das durch die hohen, farbigen Fenster fällt und bunte Flecken auf den Boden und die massiven Säulen wirft. Es ist, als würde die Zeit hier langsamer vergehen, als würdest du in eine andere Epoche eintauchen, umgeben von der stillen Präsenz jahrhundertealter Mauern.
Du wanderst weiter, lässt deine Schritte leise über den Steinboden gleiten. Vielleicht findest du eine kleine Kapelle, in der Kerzen flackern und ein warmer, weicher Schein die alten Fresken beleuchtet. Du kannst dich auf eine der hölzernen Bänke setzen, die Kühle des Holzes durch deine Kleidung spüren, und einfach nur sein. Hör genau hin: Ist da das leise Knistern einer brennenden Kerze? Oder das ferne Echo eines Glockenschlags, der von außen hereindringt? Du kannst deine Hand über die glatt geschliffenen Oberflächen der Säulen gleiten lassen, die Kälte des Steins fühlen, der so viele Geschichten in sich trägt. Es ist ein Ort der inneren Einkehr, wo du einfach nur die Atmosphäre auf dich wirken lassen kannst, ohne etwas Besonderes "tun" zu müssen, außer zu atmen und zu spüren.
Ganz unten, unter dem Chor, gibt es noch einen Ort, der eine ganz besondere Art von Stille birgt – die Krypta. Der Abstieg führt dich in noch tiefere Kühle, die Luft wird feuchter, erdiger. Du spürst die Enge der Gänge, das Gewicht der Jahrhunderte über dir. Hier unten herrscht eine andere Art von Ruhe, eine fast gespenstische Stille, die von der Vergangenheit erzählt. Es ist ein Ort, der dich nachdenklich macht, der dich die Vergänglichkeit spüren lässt. Du bist umgeben von einer Geschichte, die nicht nur erzählt, sondern gefühlt werden kann – die Kühle, die Feuchtigkeit, die besondere Akustik, die jeden Atemzug zu einem Ereignis macht.
Wenn du dann wieder ans Tageslicht trittst, ist es fast ein kleiner Schock. Das Sonnenlicht blendet für einen Moment, die Geräusche des Marktes und der Menschen strömen wieder auf dich ein, lauter und lebendiger als zuvor. Du spürst die Wärme der Sonne auf deinem Gesicht, die Energie der Stadt, die dich umgibt. Aber du bist nicht mehr derselbe. Du trägst die Kühle des Steins, die Stille der Krypta und die Weite des Himmels von der Turmspitze in dir. Du hast nicht nur eine Kirche besucht, du hast sie gefühlt, gehört, geatmet. Und dieses Gefühl bleibt, wenn du dich wieder ins bunte Treiben von Bordeaux stürzt, vielleicht auf der Suche nach einem kleinen Café, um das Erlebte nachklingen zu lassen.
Fühl dich gedrückt,
Olya from the backstreets