Wenn du mich fragst, wie man Pomerol am besten erlebt, dann sag ich dir: Nicht als Tourist, der von Château zu Château hastet, sondern als Entdecker. Stell dir vor, du kommst am frühen Morgen an, wenn der Nebel noch sanft über den Reben liegt und die Luft kühl und klar ist. Du riechst sofort die Erde – tief, feucht, voller Leben – und einen Hauch von etwas Altem, Steinernem, das von Jahrhunderten des Weinbaus erzählt. Die Stille hier ist fast greifbar; sie umhüllt dich wie ein warmer Mantel, nur unterbrochen vom fernen Krähen eines Hahns oder dem leisen Summen der Natur. Parkplätze sind rar, also park dein Auto am besten etwas außerhalb des winzigen Kerns und mach dich bereit, alles zu Fuß zu erkunden. Das ist der einzige Weg, um diese besondere Atmosphäre wirklich aufzusaugen.
Dein erster Ankerpunkt ist die kleine, unscheinbare Eglise Saint-Jean de Pomerol. Du gehst darauf zu, und sie wirkt fast, als würde sie sich in die Landschaft ducken. Es ist keine prunkvolle Kathedrale, sondern eine schlichte, robuste Steinkirche, die seit Ewigkeiten hier steht. Tritt ein: Es ist kühl im Inneren, selbst an einem sonnigen Tag. Du hörst nur deine eigenen Schritte auf dem alten Steinboden, und das ist alles, was du hören musst. Die Einfachheit hier ist entwaffnend. Sie erinnert dich daran, dass das Herz von Pomerol nicht in großen Namen liegt, sondern in der tiefen Verwurzelung mit dem Land und seiner Geschichte. Von hier aus ist es leicht, dich zu orientieren und deine kleine Wanderung zu beginnen.
Verlass die Kirche und lass dich einfach treiben, tief hinein in die Weinberge. Du gehst auf schmalen Wegen, manchmal nur Trampelpfade, auf denen der Kies unter deinen Füßen knirscht. Fühl die Sonne auf deiner Haut und den leichten Wind, der durch die Reben streicht. Du hörst das sanfte Rascheln der Blätter, fast wie ein Flüstern. Die Rebstöcke stehen in ordentlichen Reihen, so akkurat, dass es fast schon Kunst ist. Du kannst die kleinen, noch unreifen Trauben sehen, die langsam an Fülle gewinnen. Manchmal riechst du den feuchten Tonboden, besonders nach einem Regenschauer, oder den warmen Staub, wenn es trocken ist. Dieser Spaziergang ist der Schlüssel, um zu verstehen, warum dieser Ort so besonders ist – es ist die pure, unberührte Natur, die hier den Ton angibt. Trage unbedingt bequeme Schuhe, und sei respektvoll: Die meisten Weinberge sind Privatbesitz, also bleib auf den Wegen.
Nachdem du die Reben in dich aufgesogen hast, ist es Zeit für eine Verkostung. Du findest hier keine riesigen Besucherzentren, sondern oft kleine, familiäre Weingüter oder sogenannte "Caveaux de Dégustation". Stell dir vor, du trittst in einen kühlen Keller ein, wo der Duft von Wein, feuchtem Holz und alter Steinmauer in der Luft liegt. Du hörst das leise Klirren von Gläsern und die gedämpften Stimmen der Winzer, die mit Leidenschaft von ihrer Arbeit erzählen. Oft ist es der Winzer selbst, der dir den Wein einschenkt, und du kannst ihm direkt in die Augen schauen, während er dir die Geschichte hinter jedem Tropfen erzählt. Das ist keine steife Zeremonie, sondern ein ehrlicher Austausch. Frag nach ihrem Merlot – er ist der König hier. Viele kleine Produzenten freuen sich über spontane Besuche, aber für größere Châteaux ist eine Terminvereinbarung ratsam.
Pomerol selbst hat kaum Restaurants, die den ganzen Tag geöffnet sind, aber genau das ist der Charme. Für ein authentisches Mittagessen solltest du dich nach Libourne oder Saint-Émilion orientieren, die nur eine kurze Fahrt entfernt sind. Aber mein Geheimtipp: Pack dir ein einfaches Picknick ein – etwas frisches Baguette, guten lokalen Käse und vielleicht eine Wurst von einem Markt in der Nähe. Such dir dann einen kleinen, erhöhten Punkt am Rande der Weinberge, wo du dich hinsetzen und die Aussicht genießen kannst. Du schmeckst die Einfachheit und Qualität der Produkte, während du den Blick über die sanften Hügel schweifen lässt. Du fühlst dich nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Teil dieser Landschaft, die ihre Schätze so unaufdringlich teilt. Achte darauf, keinen Müll zu hinterlassen und die Ruhe nicht zu stören.
Wenn der Tag sich dem Ende neigt und die Sonne langsam tiefer sinkt, wirft sie lange Schatten über die Reben. Du hörst, wie die Stille wieder über alles hereinbricht, nur jetzt mit dem leisen Summen der Insekten. Es ist ein Moment der puren Zufriedenheit. Nimm dir Zeit für diesen Abschied. Schau noch einmal über die Weinberge, die sich im letzten Licht des Tages in ein goldenes Meer verwandeln. Die Erinnerung an Pomerol ist nicht nur der Geschmack des Weins, sondern das Gefühl von Ruhe, die Schönheit der Einfachheit und die tiefe Verbindung zur Natur. Vielleicht nimmst du eine Flasche von dem kleinen Winzer mit, den du besucht hast – ein Stück Pomerol, das du mit nach Hause nehmen kannst.
Alles Liebe,
Olya von den Hinterhöfen