Stell dir vor, es ist noch früh am Morgen. Die Luft ist kühl und feucht auf deiner Haut, trägt den erdigen Geruch des Flusses und einen Hauch von grüner Vegetation mit sich. Du spürst das sanfte Schaukeln unter deinen Füßen, während das Boot vom Anleger ablegt. Um dich herum hörst du ein leises Murmeln von Stimmen, das Geräusch des Motors, der zum Leben erwacht, und das leise Plätschern des Wassers am Bug. Vor dir liegt eine dichte Nebelwand, die langsam, fast magisch, die ersten Umrisse gigantischer, grüner Karstberge freigibt, die wie schlafende Riesen aus dem Dunst auftauchen. Jeder Atemzug füllt dich mit einer stillen Erwartung.
Während das Boot tiefer in die Landschaft gleitet, spürst du den leichten Windzug auf deinem Gesicht, der die feuchte Kühle des Morgens mit sich trägt. Du hörst nur noch das gleichmäßige Geräusch des Wassers, das am Rumpf vorbeistreicht, und ab und zu das ferne Rufen eines Vogels. Deine Augen können sich kaum sattsehen an den Formen, die an dir vorbeiziehen – die Berge wirken mal wie Elefanten, mal wie Kamele, dann wieder wie gigantische Finger, die zum Himmel ragen. Wenn du die Hand ausstreckst, kannst du die Gischt des Flusses fühlen, frisch und kühl. Manchmal riechst du den leichten Rauch eines Kohlefeuers von einem kleinen Dorf am Ufer.
Plötzlich siehst du sie: Eine winzige Silhouette auf einem Bambusfloß, ein Fischer mit seinem Kormoran. Du hörst das rhythmische Eintauchen seiner Stange ins Wasser, ein leises Plätschern, das die Stille nur unterstreicht. Später gleitet ein Wasserbüffel am Ufer vorbei, sein schweres Atmen ist fast zu hören, während er sich durch das seichte Wasser bewegt. Es ist diese unglaubliche Ruhe, die dich umfängt, dieses Gefühl, Teil eines uralten Bildes zu sein, das sich vor deinen Augen entfaltet. Es ist nicht nur ein Anblick, es ist ein Gefühl, das dich durchdringt, eine tiefe Verbundenheit mit der Natur.
Irgendwann steigt ein verlockender Duft von warmem Essen auf, der sich auf dem Boot ausbreitet – oft ist es eine einfache, aber herzhafte Nudelsuppe oder gebratener Reis. Du spürst die Wärme der Schale in deinen Händen und der erste Bissen ist eine Wohltat, ein salziger, würziger Geschmack, der dich von innen wärmt. Während du isst, schweifen deine Augen immer wieder über die sich ständig verändernde Landschaft. Es ist ein Moment des einfachen Genusses, bei dem alle Sinne beteiligt sind.
Mit jeder Flussbiegung wird die Szenerie lebhafter. Du hörst mehr Geräusche: das entfernte Summen von Motorrollern, das Lachen von Menschen, das Klappern von Geschirr. Die Ufer werden dichter besiedelt, bunter. Der Geruch der frischen Flussluft mischt sich mit dem Duft von Streetfood und dem geschäftigen Treiben einer Stadt. Yangshuo taucht vor dir auf, ein lebendiger Wirbelwind nach der stillen Schönheit der Flussfahrt. Es ist eine plötzliche, aber aufregende Veränderung.
Wenn du das Boot verlässt, spürst du den festen Boden unter den Füßen, oft Kopfsteinpflaster, das uneben und lebendig ist. Die West Street von Yangshuo zieht dich sofort in ihren Bann. Du hörst überall Musik, das geschäftige Treiben der Händler, das Klirren von Gläsern. Du kannst die Seidenschals fühlen, die sanft an dir vorbeihängen, den Duft von frisch gebratenem Tofu schmecken, das kühle Bier spüren, das durch deine Kehle rinnt. Es ist eine Explosion für die Sinne, ein Ort, an dem du dich einfach treiben lassen und die Energie aufsaugen kannst.
Für die Bootsfahrt auf dem Li-Fluss von Guilin nach Yangshuo solltest du deine Tickets unbedingt im Voraus buchen, besonders in der Hochsaison. Die Fahrt dauert je nach Boot und Strömung etwa 4 bis 5 Stunden. Pack bequeme Schuhe ein, denn in Yangshuo läufst du viel, und nimm Bargeld für kleine Einkäufe oder Streetfood mit. Es gibt verschiedene Bootstypen, von größeren Touristenschiffen bis zu kleineren Bambusflößen (die aber nur kürzere Strecken fahren). Die besten Aussichten hast du oft vom Oberdeck.
Léa on the Road