Hey du, stell dir vor, du bist gerade in Kamakura angekommen, und schon bevor du den Bahnhof richtig verlässt, spürst du diese ganz besondere, ruhige Energie. Du folgst dem leisen Murmeln der Menschenmenge, und schon bald stehst du auf einem breiten Weg, der sich sanft vor dir erhebt. Zu deiner Linken und Rechten hörst du das geschäftige Treiben kleiner Läden, den Duft von frisch gebackenem Gebäck und vielleicht sogar von süßem Matcha, der in die Luft steigt. Es ist ein Gefühl, als würdest du langsam in eine andere Zeit eintauchen, während deine Schritte auf dem Kies knirschen und dich immer weiter nach vorne tragen.
Du gehst weiter, und die Geräusche der Stadt werden leiser, während die Luft kühler und klarer wird. Plötzlich stehst du vor einem riesigen, leuchtend roten Tor – das erste Tor zum Schrein. Es ist so hoch, dass du deinen Kopf in den Nacken legen musst, um die Spitze zu sehen. Wenn du darunter hindurchgehst, spürst du fast, wie sich die Atmosphäre verändert, als würdest du eine unsichtbare Schwelle überschreiten. Kurz danach, auf der linken Seite, findest du einen kleinen Pavillon mit fließendem Wasser. Hier siehst du, wie die Menschen kleine hölzerne Schöpfkellen nehmen, ihre Hände und dann den Mund spülen – eine Geste der Reinigung, bevor man das Herz des Schreins betritt. Probier es selbst, es ist eine erfrischende und respektvolle Art, sich auf das Kommende einzustimmen.
Danach öffnet sich der Raum vor dir. Du stehst auf einem weiten Platz, umgeben von Bäumen, und vor dir liegen zwei Teiche, die durch eine kleine Brücke verbunden sind. Die Geräusche hier sind eine Mischung aus dem sanften Plätschern des Wassers, dem entfernten Klang von Glocken und dem gedämpften Summen von Stimmen. Überall um dich herum siehst du Menschen, die an kleinen Ständen stehen. Viele schütteln kleine Holzkästen, um dann einen nummerierten Stock herauszuziehen, der ihnen eine Papierrolle mit einer Botschaft bringt – das sind die Omikuji, kleine Glücksbotschaften oder Vorhersagen. Wenn dir die Botschaft nicht gefällt, bindest du das Papier an eine Schnur, damit der Wind die schlechte Energie davonträgt. Du kannst auch kleine Holztäfelchen, sogenannte Ema, kaufen, auf die du deine Wünsche schreibst und sie dann aufhängst, wo sie von den Kami (Gottheiten) gehört werden.
Nachdem du die friedliche Atmosphäre der Teiche genossen und vielleicht einen Wunsch formuliert hast, richtet sich dein Blick auf die beeindruckende Steintreppe, die sich vor dir erhebt und zum Hauptschrein führt. Der Aufstieg ist ein bisschen anstrengend, aber mit jedem Schritt nach oben spürst du, wie sich deine Perspektive verändert und die Welt unter dir immer kleiner wird. Oben angekommen, weht oft ein sanfter Wind, und du hast einen wunderschönen Blick über die Anlage und die Stadt Kamakura dahinter. Hier, vor der Haupthalle, siehst du, wie die Menschen ein paar Münzen in eine Opferkiste werfen, zweimal klatschen, sich verbeugen und dann still beten. Es ist kein lautes Gebet, eher eine innere Zwiesprache, die du fühlen kannst. Wenn du frühmorgens kommst, ist es oft am ruhigsten, und du kannst diese besondere Energie am besten auf dich wirken lassen.
Aber der Schrein ist mehr als nur die Haupthalle. Wenn du von dort aus die Pfade erkundest, die sich um die Hauptgebäude schlängeln, findest du kleine, versteckte Schreine, die oft viel ruhiger sind. Hier hörst du vielleicht nur das Rascheln der Blätter und das Zwitschern der Vögel. Es ist ein Gefühl, als würdest du ein kleines Geheimnis entdecken. Manche dieser kleineren Schreine sind Inari-Schreine, erkennbar an den vielen roten Toriis, die einen Pfad säumen – ein wirklich magischer Anblick. Nimm dir die Zeit, diese Seitenwege zu erkunden; oft findest du dort auch kleine Teeläden, wo du eine beruhigende Tasse Matcha genießen kannst, oder Stände mit kleinen Glücksbringern, die du als Erinnerung mit nach Hause nehmen kannst.
Wenn du dann langsam die große Treppe wieder hinuntersteigst und dich auf den Rückweg machst, fühlt sich Kamakura plötzlich anders an als bei deiner Ankunft. Du hast nicht nur einen Ort besucht, sondern eine ganze Reihe von Momenten erlebt – von der geschäftigen Ankunft über die stille Reinigung bis hin zum erhabenen Blick vom Berg. Die Geräusche der Stadt kehren langsam zurück, aber in dir klingt noch die Ruhe des Schreins nach, wie ein leises Echo, das dich noch lange begleiten wird.
Alles Liebe von unterwegs,
Olya from the backstreets