Stell dir vor, du stehst am Fuße eines Berges, der lebt. Nicht nur so dahinschlummert, sondern atmet, sich regt, dessen Herzschlag du in der Erde spüren kannst. Das ist der Merapi in Yogyakarta. Kein gewöhnlicher Berg, sondern ein Gigant, der Respekt einflößt und gleichzeitig eine unglaubliche Anziehungskraft hat. Du spürst die kühle Morgenluft auf deiner Haut, noch bevor die Sonne aufgeht, und ein Geruch von feuchter Erde und etwas Mineralischem liegt in der Luft – das ist Merapi, wie er dich willkommen heißt. Du hörst das ferne Zirpen der Zikaden, vermischt mit dem leisen Knistern der Blätter im Wind, und eine tiefe Ruhe umgibt dich, die nur von der Präsenz dieses mächtigen Vulkans unterbrochen wird.
Um diesen Giganten wirklich zu erleben, würde ich dich direkt nach Kaliurang oder Kinahrejo bringen, das ist der Ausgangspunkt für die Jeep-Touren. Stell dir vor, du sitzt in einem dieser robusten, offenen Jeeps, der Motor brummt leise und die ersten Sonnenstrahlen kitzeln dein Gesicht. Du musst dir um nichts kümmern, denn die Fahrer hier kennen jede Kurve, jeden Stein und jede Geschichte des Berges. Buche die Tour am besten schon am Vortag, oder lass deinen Homestay das für dich organisieren. Es gibt viele Anbieter, aber die Erfahrung ist meist dieselbe: authentisch, staubig und unvergesslich.
Die Fahrt selbst ist schon ein Abenteuer. Du fühlst jeden Stoß, wenn der Jeep über die Geröllpisten holpert, spürst den Fahrtwind, der dir die Haare zerzaust, und siehst, wie die Landschaft sich mit jedem Höhenmeter verändert. Von saftigem Grün zu karger, vulkanischer Mondlandschaft. Dein Blick schweift über erstarrte Lavafelder, die wie gigantische, schwarze Wellen aussehen, und du kannst fast die Hitze des Stroms spüren, der hier einst alles unter sich begraben hat. Manchmal hörst du das Geräusch von Steinen, die unter den Reifen knirschen, und der Geruch von Schwefel, ganz leicht, weht dir um die Nase – eine ständige Erinnerung daran, dass du auf lebendem Boden unterwegs bist.
Der erste wichtige Stopp ist der Kaliadem Bunker. Stell dir vor, du stehst vor dieser massiven, grauen Betonröhre, die in den Berg gebaut wurde, ein Zeugnis menschlicher Angst und Überlebenswille. Du gehst hinein, und die Luft wird sofort kühler, schwerer. Die Dunkelheit umfängt dich, nur ein schwacher Lichtschein fällt durch den Eingang. Du hörst nur den Widerhall deiner eigenen Schritte und vielleicht das leise Tropfen von Wasser. Es ist ein Ort, der dich still werden lässt, der die rohe Gewalt des Vulkans greifbar macht, der hier 2006 sein verheerendes Werk vollbrachte. Von hier aus hast du dann auch einen der besten Ausblicke auf den Gipfel des Merapi, oft eingehüllt in mystische Wolken.
Danach geht es weiter zum Museum Sisa Hartaku, dem "Museum der übrig gebliebenen Schätze". Das ist kein Museum im klassischen Sinne, sondern ein Haus, das die Besitzer nach der Eruption von 2010 so belassen haben, wie sie es vorfanden. Du gehst hinein, und deine Augen erfassen sofort die geschmolzenen Gegenstände: ein Fernseher, der zu einer surrealen Skulptur geworden ist, eine Nähmaschine, deren Metallteile sich verformt haben, und Geschirr, das zu einem einzigen Klumpen verschmolzen ist. Du spürst die Stille dieses Ortes, aber auch die laute Geschichte, die er erzählt. Jeder geschmolzene Löffel, jede verbrannte Puppe erzählt von einem Leben, das hier abrupt endete oder neu beginnen musste. Es ist ein Ort, der dich demütig macht und dir die menschliche Dimension der Naturkatastrophe näherbringt. Das überspringst du auf keinen Fall, denn es ist das Herzstück der menschlichen Erfahrung hier.
Was du auslassen könntest, wenn die Zeit knapp ist, sind die vielen kleinen, oft sehr ähnlichen Souvenirstände entlang der Route. Klar, ein kleines Andenken ist nett, aber die wahre Erfahrung liegt im Erleben des Berges selbst und seiner Geschichten, nicht im Shopping. Konzentriere dich auf die Natur, die Stille, die Geschichten der Menschen und die Kraft des Vulkans. Das ist es, was bleibt.
Das Beste heben wir uns für den Schluss auf, und das ist der Sonnenaufgang am Merapi. Stell dir vor, du sitzt im Jeep, noch in der Dunkelheit, auf einer Anhöhe. Die Luft ist kalt, aber du spürst die Vorfreude. Dann, ganz langsam, beginnt der Himmel sich zu verfärben. Zuerst ein zartes Rosa, dann Orange, dann ein tiefes Rot, das den Horizont in Brand setzt. Und der Merapi, der Gigant, zeichnet sich majestätisch vor diesem Flammenmeer ab. Du hörst nur das leise Klicken der Kameras und das Staunen der Menschen um dich herum. Die ersten warmen Sonnenstrahlen treffen dein Gesicht, und du spürst, wie die Kälte weicht. Es ist ein magischer Moment, der dich daran erinnert, wie klein wir sind und wie gewaltig und schön die Natur sein kann. Dieses Gefühl, wenn die Sonne den Gipfel des Merapi küsst, ist der perfekte Abschluss für dieses Abenteuer.
Zieh dich warm an, am besten in Schichten, denn morgens ist es hier oben empfindlich kühl, bevor die Sonne richtig Kraft bekommt. Feste Schuhe sind ein Muss, auch wenn du nicht viel wanderst, aber die Böden sind uneben und staubig. Nimm unbedingt eine Maske oder ein Halstuch für den Staub im Jeep mit, und vergiss nicht genügend Wasser. Die beste Reisezeit ist die Trockenzeit (ungefähr Mai bis September), dann hast du die klarste Sicht auf den Gipfel. Und vergiss nicht, den Menschen hier mit Respekt zu begegnen, die mit der ständigen Präsenz dieses mächtigen Vulkans leben.
Lena unterwegs