Manchmal gibt es Orte, die man nicht nur besucht, sondern die sich tief in die Seele graben. Ganden ist so ein Ort. Stell dir vor, du sitzt in einem kleinen, klapprigen Bus, der sich langsam die Serpentinen hinaufschlängelt. Unter dir wird das Lhasa-Tal immer kleiner, die Luft wird dünner und kühler. Du spürst, wie dein Atem langsamer wird, während sich vor dir eine Landschaft aus schroffen Bergen und weitem Himmel entfaltet. Der Wind pfeift manchmal leise gegen die Scheiben, und du hörst das leise Murmeln der tibetischen Pilger um dich herum, ihre Gebete, die wie ein sanfter Schleier in die Höhe steigen. Dann, plötzlich, taucht es auf: Ein leuchtendes Meer aus goldenen Dächern und roten Mauern, das sich wie ein Schatzkästchen an den Berghang schmiegt. Ein Anblick, der dir den Atem raubt – nicht nur wegen der Höhe, sondern weil du spürst, dass du an einem ganz besonderen Ort angekommen bist.
Wenn du dann die alten Stufen betrittst, die zu den Hauptgebäuden führen, riechst du es sofort: Der unverkennbare Duft von verbranntem Wacholder, vermischt mit dem schweren, süßlichen Geruch von Butterlampenöl und dem Hauch von alternden Hölzern und jahrhundertealten Teppichen. Es ist ein Geruch, der Geschichten erzählt, der von unzähligen Gebeten und stillen Momenten zeugt. Du hörst das tiefe, rhythmische Dröhnen der Mönchsgesänge aus den Gebetshallen, ein Klang, der durch Mark und Bein geht und sich wie eine Vibration in deiner Brust ausbreitet. Deine Finger gleiten über die glatt polierten Gebetsmühlen, die kühl unter deiner Hand liegen, und du spürst die Energie, die von jedem einzelnen Drehen ausgeht. Es ist, als würde der ganze Ort atmen, ein lebendiger Organismus aus Glaube und Hingabe.
Der Kora-Pfad um das Kloster herum ist ein Erlebnis für sich. Du spürst den unebenen Boden unter deinen Füßen, mal staubig, mal steinig, während du dem Uhrzeigersinn folgst, genau wie die Pilger, die dich umgeben. Der Wind zupft an deinen Haaren und bringt dir den Duft der weiten, kargen Landschaft entgegen. Manchmal hörst du das Klappern von Gebetsfahnen, die im Wind flattern, und das leise Rasseln der Gebetsketten in den Händen der Gläubigen. Von hier oben hast du eine unendliche Aussicht auf die umliegenden Täler und die schneebedeckten Gipfel in der Ferne. Du spürst die Sonne auf deiner Haut, die hier oben, in dieser Höhe, eine ganz besondere Intensität hat. Es ist ein Gefühl von Freiheit und Verbundenheit, als ob du Teil von etwas viel Größerem bist, das sich über Jahrhunderte hier manifestiert hat.
Für deinen Besuch in Ganden, hier ein paar praktische Tipps, damit du das Beste aus deiner Zeit herausholen kannst:
* Beste Tageszeit: Komm am frühen Morgen (vor 9 Uhr) oder am späten Nachmittag (nach 15 Uhr). Das Licht ist dann am schönsten für Fotos, und du hast die Chance, Mönche bei ihren Ritualen zu beobachten.
* Menschenmassen vermeiden: Die meisten Touren kommen zwischen 10 und 14 Uhr an. Wenn du vor oder nach dieser Zeit da bist, hast du das Kloster fast für dich allein.
* Wie lange bleiben: Plane mindestens 3-4 Stunden ein. Das gibt dir genug Zeit, die wichtigsten Hallen zu erkunden und den Kora-Pfad zu gehen, ohne dich gehetzt zu fühlen. Wenn du dich wirklich vertiefen möchtest, auch länger.
* Was weglassen: Es gibt eigentlich nichts, was man "weglassen" sollte, da jede Ecke ihre eigene Geschichte hat. Wenn du jedoch wenig Zeit hast, konzentriere dich auf die Hauptversammlungs-Halle (Tsokchen), die Mausoleums-Halle (Serdung) und den Kora-Pfad. Die kleinen Souvenirläden am Eingang sind optional.
* Nützliche lokale Tipps:
* Höhenlage: Ganden liegt auf etwa 4.300 Metern. Nimm dir Zeit, bewege dich langsam, trinke viel Wasser und achte auf Symptome der Höhenkrankheit.
* Toiletten: Erwarte einfache Hocktoiletten. Nimm unbedingt dein eigenes Toilettenpapier und Handdesinfektionsmittel mit.
* Essen/Trinken: Es gibt ein paar sehr einfache Teestuben (tibetanische Buttertee, Nudelsuppen, Momos) innerhalb und außerhalb des Klosters. Erwarte keine westlichen Cafés. Es ist ratsam, Snacks und Wasser mitzubringen.
* Respekt: Kleide dich bescheiden (Schultern und Knie bedeckt). Nimm Hüte in den Gebetshallen ab. Gehe immer im Uhrzeigersinn um Stupas, Gebetsmühlen und Klöster herum.
* Fotografie: Frage immer um Erlaubnis, bevor du Mönche fotografierst. In vielen Gebetshallen ist Fotografieren nicht erlaubt – achte auf Schilder.
Viel Freude beim Entdecken dieses unglaublichen Ortes!
Olya aus den Gassen