Stell dir vor, du stehst vor einem hohen Tor in Lhasa, und hinter dir pulsiert noch das geschäftige Leben der Stadt. Aber sobald du durch die massive Eingangstür trittst, die Norbulingka, den "Juwelenpark", öffnet, ändert sich die Welt. Du spürst sofort, wie die Luft kühler und weicher wird, durchdrungen vom Duft feuchter Erde und dem leisen Rascheln alter Blätter. Deine Schritte auf dem Kiesweg sind gedämpft, und das Geräusch des Verkehrs verschwindet langsam hinter dir, ersetzt durch das Zwitschern von Vögeln und das ferne Plätschern von Wasser. Du spürst die Weite, die sich vor dir auftut – grüne Wiesen, alte Bäume, die ihre Äste wie schützende Arme ausbreiten. Es ist ein Ort des Atems, ein Rückzugsort.
Von hier aus würde ich dich zuerst nach rechts führen, zum ältesten Teil des Parks, dem Kelsang Potrang. Du spürst die alten, ausgetretenen Stufen unter deinen Füßen, wenn du das Gebäude betrittst. Im Inneren umfängt dich sofort die kühle, schattige Luft, die den Geruch von altem Holz und vielleicht einem Hauch von Weihrauch trägt. Stell dir vor, wie hier vor Jahrhunderten Mönche und Dalai Lamas wandelten. Jeder Schritt hallt leise wider, und die Wände fühlen sich glatt und kühl an, getränkt in Geschichte. Es ist nicht prunkvoll, aber es hat eine tiefe, ruhige Würde, die man fast greifen kann.
Von dort aus schlenderst du weiter, durch die friedlichen Gärten, bis du das Tsokyil Potrang erreichst, den "Seepalast". Hier umgibt dich das sanfte Plätschern des Wassers, das sich wie ein weicher Teppich um die kleine Insel legt, auf der der Palast steht. Die Luft ist hier noch frischer, und du spürst vielleicht einen leichten Windhauch, der über die Oberfläche des Sees streicht. Setz dich auf eine der Bänke, spür die Sonne auf deinem Gesicht und lausche dem leisen Murmeln der Natur. Es ist ein Ort der Kontemplation, wo die Gedanken zur Ruhe kommen und sich im sanften Licht des Wassers spiegeln. Hier musst du nichts tun, außer zu sein.
Und das Beste heben wir uns für den Schluss auf: den Daden Migyur Potrang, den "Neuen Palast" des 14. Dalai Lama. Hier ist die Geschichte noch lebendig, fast greifbar. Die Farben sind intensiver, die Details der Malereien und Dekorationen sind noch schärfer, und du spürst eine ganz andere Energie in den Räumen. Stell dir vor, wie seine letzten Alltagsgegenstände hier lagen, wie er hier saß, meditierte, lernte. Du kannst die kühlen Fliesen unter deinen Füßen spüren, die Wärme der Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fallen, und vielleicht den leisen Widerhall deiner eigenen Bewunderung. Dies ist der Höhepunkt deines Besuchs, der Moment, in dem die Geschichte am präsentesten ist. Nimm dir hier wirklich Zeit, verweile in den Räumen, spür die Atmosphäre. Du musst nicht jedes einzelne Gebäude im riesigen Park erkunden; diese drei Paläste bieten dir das tiefste und umfassendste Erlebnis.
Wenn du den Park verlässt, wirst du merken, wie sich die Ruhe und Gelassenheit, die du dort gefunden hast, noch eine Weile in dir hält. Norbulingka ist ein Ort, der dich von innen heraus berührt. Pack dir bequeme Schuhe ein, eine Wasserflasche und nimm dir mindestens einen halben Tag Zeit. Und vergiss nicht, einfach mal stehenzubleiben, die Augen zu schließen und nur zu lauschen.
Bis zum nächsten Abenteuer,
Ella vom Wegrand