Stell dir vor, es ist noch tiefste Nacht, draußen ist es stockfinster und die Luft beißt schon um 3 Uhr morgens ins Gesicht. Du spürst die Kälte durch die erste Schicht deiner Kleidung kriechen, aber auch eine aufgeregte Spannung im Bauch. Überall um dich herum raschelt es, Stimmen tuscheln leise und der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee und aufgewärmten Buspolstern liegt in der Luft. Du kletterst in den Minibus, der Motor brummt leise, während die Stadt langsam hinter dir verschwindet. Die Straße wird holpriger, die Dunkelheit draußen ist so dicht, dass du nur die schemenhaften Umrisse der Berge erahnen kannst, die sich wie schlafende Riesen am Horizont abzeichnen. Es ist ein Gefühl, als würdest du in eine andere Welt gleiten, während die ersten Sonnenstrahlen zaghaft die Gipfel küssen und die Landschaft in ein sanftes Orange tauchen.
Nach einer Weile hält der Bus an. Du spürst den kalten, festen Boden unter deinen Füßen, als du aussteigst. Der Geruch von feuchter Erde und ländlicher Luft füllt deine Lungen. Hier, an diesem kleinen Startpunkt mitten in den Bergen, wartet ein einfaches, aber wärmendes Frühstück auf dich. Du spürst die heiße Tasse Coca-Tee in deinen Händen, wie sie langsam Wärme in deine Fingerspitzen schickt. Es gibt Brot und Rührei, und das Knistern der kleinen Feuerstelle, an der das Essen zubereitet wird, ist das einzige Geräusch neben dem leisen Stimmengewirr der anderen Wanderer. Pack unbedingt mehrere Schichten an Kleidung ein – am besten atmungsaktive Materialien. Du wirst sie alle brauchen, denn die Temperaturen schwanken hier extrem. Von eisiger Kälte am Morgen bis zur intensiven Höhensonne am Mittag ist alles dabei. Denk an Mütze, Handschuhe und eine gute Windjacke.
Und dann geht es los. Du beginnst zu gehen, Schritt für Schritt. Die Luft ist dünn, jeder Atemzug fühlt sich tiefer an, als ob deine Lungen sich mehr anstrengen müssten, um sich zu füllen. Du hörst nur das Knirschen deiner Schuhe auf dem steinigen Pfad, das eigene Pochen deines Herzens und den Wind, der an deinen Ohren vorbeistreicht. Um dich herum weitet sich die Landschaft. Du spürst die leichte Steigung und die Sonne, die langsam stärker wird und die Farben der Erde zum Leuchten bringt. Es gibt kleine Bäche, deren Plätschern du hören kannst, und immer wieder siehst du Lamas und Alpakas, die friedlich grasen. Wenn du merkst, dass die Höhe dich zu sehr fordert, gibt es oft die Möglichkeit, ein Pferd für einen Teil des Weges zu mieten – das ist keine Schande, sondern eine kluge Entscheidung, um deine Energie zu sparen.
Mit jedem Höhenmeter, den du gewinnst, spürst du die Anstrengung in deinen Beinen, aber auch die unendliche Weite um dich herum. Deine Muskeln brennen leicht, aber der Blick, der sich dir eröffnet, entschädigt für alles. Die Berge um dich herum sind gigantisch, ihre Gipfel reichen scheinbar bis in den Himmel. Die Farben beginnen sich zu zeigen, erst sanft, dann immer intensiver. Die Luft wird kühler, je höher du kommst, und der Wind pfeift manchmal kräftig. Es ist wichtig, viel Wasser zu trinken, wirklich viel. Dein Körper braucht es dringend in dieser Höhe. Und kaue auf Coca-Blättern, wenn du welche angeboten bekommst. Sie helfen tatsächlich gegen die Höhenkrankheit und geben dir einen leichten Energieschub, ohne dich aufzuregen. Geh dein eigenes Tempo, hör auf deinen Körper und mach Pausen, wenn du sie brauchst.
Der letzte Abschnitt ist der anstrengendste. Du spürst jeden Schritt, dein Herz klopft und der Atem geht schneller. Aber dann, plötzlich, stehst du da. Der Wind zerrt an deiner Kleidung und du spürst die Höhe in jeder Faser deines Körpers. Vor dir breitet sich ein Gemälde aus, das du nie für möglich gehalten hättest: Die Vinicunca, der Regenbogenberg. Du siehst das tiefe Rot der Eisenoxide, das leuchtende Gelb des Schwefels, das Grün des Kupfers und die Violett- und Brauntöne der Sandsteine. Die Farben sind so klar, so intensiv, dass es sich anfühlt, als hätte jemand einen riesigen Pinsel über die Berge gezogen. Es ist still, bis auf das Pfeifen des Windes und das leise Klicken der Kameras. Du spürst eine unglaubliche Ehrfurcht und einen tiefen Stolz, es bis hierher geschafft zu haben.
Der Abstieg ist zwar einfacher für die Lungen, aber du spürst ihn in den Knien. Die Landschaft sieht aus dieser Perspektive wieder anders aus, die Farben der Berge scheinen sich mit dem wechselnden Sonnenlicht zu verändern. Du bist müde, aber die Bilder des Regenbogenbergs sind fest in deinem Kopf verankert. Die Sonne steht jetzt höher, und du spürst ihre Wärme intensiv auf deiner Haut. Pack unbedingt Sonnencreme ein, selbst wenn es kalt ist – die UV-Strahlung in dieser Höhe ist extrem stark. Auch eine Sonnenbrille ist Gold wert. Und vergiss nicht, ein paar Snacks für unterwegs einzupacken, wie Nüsse oder Energieriegel. Du wirst dankbar sein, wenn der kleine Hunger kommt. Am Ende des Tages bist du erschöpft, aber dein Herz ist erfüllt von einem unvergesslichen Erlebnis, das du nie wieder vergessen wirst.
Fühl dich gedrückt,
Léa von unterwegs