Stell dir vor, du stehst am Rande der Welt, und die Erde selbst atmet. Das ist Gullfoss, der Goldene Wasserfall. Es ist nicht nur ein Anblick, es ist ein Gefühl, das dich von den Zehenspitzen bis in die Haarwurzeln durchdringt. Schon bevor du ihn siehst, hörst du ihn. Ein tiefes, donnerndes Grollen, das aus der Ferne kommt, ein gleichmäßiges, unaufhörliches Dröhnen, das langsam anschwillt, bis es den ganzen Raum um dich herum einnimmt. Die Luft wird kühler, feuchter, und du spürst einen leichten, erfrischenden Schleier auf deiner Haut – das ist der erste Gruß des Wasserfalls, der dich willkommen heißt.
Du gehst weiter, und der Boden unter deinen Füßen ist fest, manchmal knirschend von kleinen Steinen, manchmal weich von der feuchten Erde. Jeder Schritt bringt dich näher an dieses Naturschauspiel heran. Das Grollen wird lauter, es ist jetzt ein lebendiges Rauschen, das sich in deinen Ohren festsetzt und sich anfühlt, als würde die Luft vibrieren. Du atmest tief ein, und die Luft ist so rein, so klar und kalt, mit einem Hauch von feuchter Erde und Stein. Du spürst, wie sich die feinen Wassertröpfchen auf deinem Gesicht sammeln, wie winzige, kühle Perlen, die dich erfrischen und auf das vorbereiten, was kommt.
Und dann bist du da. Das Geräusch ist jetzt ein ohrenbetäubendes, ununterbrochenes Brüllen, eine Symphonie der Macht. Du spürst es in deiner Brust, wie ein tiefer Bass, der durch deinen Körper hallt. Die Gischt ist überall, ein feiner Nebel, der dich umhüllt, deine Kleidung feucht werden lässt und auf deinen Lippen schmeckt – nach reinem, kalten Wasser, das direkt aus den Gletschern kommt. Du streckst die Hand aus, und die winzigen Tropfen tanzen auf deiner Haut, kalt und belebend. Es ist, als würde der Wasserfall dich umarmen, seine gewaltige Kraft, die du nicht nur hörst, sondern mit jeder Faser deines Körpers spürst, von den Füßen, die auf dem festen Boden stehen, bis zu den Haaren, die sich in der feuchten Luft kräuseln.
Für deinen Besuch am Gullfoss, wenn du es wie ich machen würdest, würde ich dir raten, direkt zum oberen Parkplatz (P2) zu fahren. Von dort aus hast du den besten Startpunkt, um die Weite des Wasserfalls zu erfassen, bevor du dich ins Getümmel stürzt. Überspringen würde ich persönlich den ersten, sehr weit entfernten Aussichtspunkt, wenn du nicht viel Zeit hast; er gibt dir nicht das immersive Gefühl, das du suchst. Spar dir das Beste für den Schluss auf: Den Abstieg zum unteren Pfad (P1). Von P2 aus gehst du zuerst zu den oberen Aussichtsplattformen, die dir einen fantastischen Überblick geben und wo du die Gischt schon deutlich spürst. Danach nimmst du den befestigten Weg nach unten zum P1. Dort kommst du dem Wasserfall so nah, dass du ihn fast berühren kannst und die ganze Wucht spürst. Von P1 aus geht es dann den gleichen Weg zurück nach oben.
Ganz wichtig: Zieh dich warm an und denk an wasserdichte Kleidung! Eine gute Regenjacke und -hose sind Gold wert, denn die Gischt ist wirklich überall und macht dich innerhalb von Minuten durchnässt. Und feste, wasserdichte Schuhe mit gutem Profil sind ein Muss, denn die Wege können rutschig sein. Handschuhe und eine Mütze schaden auch an milderen Tagen nicht, der Wind am Wasserfall kann eisig sein. Du willst ja nicht frieren, wenn du diesen unglaublichen Ort mit allen Sinnen erlebst.
Nach all den Eindrücken und der Gischt ist eine heiße Schokolade oder ein Kaffee im kleinen Café oben am Parkplatz P2 die perfekte Belohnung. Es ist der ideale Abschluss, um die unvergesslichen Momente Revue passieren zu lassen, während du dich aufwärmst und die Nachwirkungen des tosenden Wassers noch in dir spürst.
Bleib neugierig,
Olya von den Seitenstraßen