Stell dir vor, du biegst von einer der belebteren Straßen New Orleans ab, und plötzlich wird die Luft anders. Sie ist nicht mehr so erfüllt vom lauten Lachen und dem Schaben der Schritte, sondern ruhiger, fast ehrfürchtig. Du spürst, wie der Asphalt unter deinen Füßen sich in älteres, unebeneres Pflaster verwandelt. Ein leichter, süßlicher Duft liegt in der Luft, vermischt mit dem erdigen Geruch von altem Mauerwerk und einer Ahnung von Feuchtigkeit – es ist der Geruch der Zeit selbst, der sich hier festgesetzt hat. Die Geräusche der Stadt ziehen sich zurück, werden zu einem fernen Summen, und du hörst nur noch das leise Rascheln von Blättern im Wind oder vielleicht das ferne, melancholische Trompetensolo, das durch die Gassen weht und sich anfühlt, als käme es direkt aus der Vergangenheit. Du gehst langsam, fast schwebst du, und jeder Schritt ist ein Eintauchen in eine andere Ära.
Du streckst die Hand aus und spürst die kühle, raue Oberfläche eines alten Ziegelsteins, der schon unzählige Geschichten erlebt hat. Deine Finger gleiten über das kunstvolle, doch verwitterte Eisengitter eines Balkons, das einst die Blicke neugieriger Passanten abfangen sollte. Unter deinen Schuhsohlen knirscht vielleicht ein loses Stück Kies, während du die breiten, aber abgetretenen Steinstufen hinaufsteigst, die zu einer dieser majestätischen, doch nun stillen Villen führen. Es ist, als ob die Gebäude selbst atmen – eine Mischung aus Stolz und Vergänglichkeit. Du spürst die Schwere der Geschichte in der Luft, die Würde dieser alten Häuser, die einst Zeugen von Glanz und Geheimnissen waren, und nun da stehen, wie alte Damen, die ihre Erinnerungen in sich tragen.
Und dann, wenn du einen dieser Eingänge passierst, ändert sich die Atmosphäre noch einmal. Der Raum um dich herum wird leiser, fast gedämpft. Du kannst dir vorstellen, wie früher das Knistern von Seidenkleidern zu hören war, das leise Klirren von Gläsern oder das ferne Lachen, das durch die Gänge hallte. Es ist, als würden die Wände flüstern, dir Geschichten erzählen von den Menschen, die hier lebten, liebten und litten. Du spürst die Präsenz von Leben, das hier einst pulsierte – die Sehnsüchte, die Träume, die Melodien, die aus den Salons drangen. Es ist ein Gefühl des Eintauchens in eine andere Welt, die zwar vergangen ist, aber deren Echo noch immer so lebendig ist, dass du es fast greifen kannst.
Manchmal, wenn du dich wirklich darauf einlässt, hörst du es – dieses tiefe, sehnsüchtige Wimmern eines Saxophons, das sanfte Schlagen eines Kontrabasses, den warmen Klang eines Klaviers. Es ist der Herzschlag von New Orleans, der hier in Storyville seine Wurzeln hat. Es ist nicht nur Musik, es ist ein Gefühl, das dich durchdringt, eine Mischung aus Melancholie und purer Lebensfreude, die untrennbar mit diesem Ort verbunden ist. Du spürst den Rhythmus in deinem eigenen Körper, ein sanftes Wiegen, als ob die Luft selbst mit den unsichtbaren Klängen mitschwingt, die einst diese Straßen erfüllten und die Welt veränderten.
Was du dort machst? Du tauchst ein. Es gibt heute ein paar Museen, die sich der Geschichte dieses Viertels widmen – das zum Beispiel im ehemaligen "Frank Early’s House" untergebracht ist, wo du dir die Ausstellungen in Ruhe ansehen kannst. Dann gibt es die Preservation Hall, die zwar nicht direkt in Storyville liegt, aber den Geist der Musik am Leben hält. Am besten erkundest du die Gegend zu Fuß, suchst die historischen Markierungen und lässt die alten Gebäude auf dich wirken. Es gibt keine "Attraktionen" im üblichen Sinne, sondern eher Spuren einer vergangenen Zeit. Achte auf die Öffnungszeiten der Museen, die sind oft nicht durchgehend. Und nimm dir Zeit, es ist kein Ort zum Durchhetzen.
Clara auf Reisen