Hey, du fragst dich, was man auf Spinalonga so erlebt? Komm, ich nehm dich mit, als wärst du dabei. Stell dir vor, du lässt die geschäftigen Straßen Heraklions hinter dir. Die Stadt wird kleiner im Rückspiegel, während du dich auf den Weg Richtung Küste machst. Du spürst die Sonne auf deiner Haut, die schon morgens vielversprechend warm ist. Der Geruch von Olivenhainen und trockener Erde weht durchs offene Fenster, vermischt sich mit dem leisen Brummen des Motors. Du siehst, wie die Landschaft sich verändert, hügeliger wird, immer wieder blaue Blitze des Meeres am Horizont aufblitzen. Eine sanfte Spannung breitet sich aus – dieses Gefühl, wenn man weiß, dass etwas Besonderes vor einem liegt.
Dann erreichst du die Küste, vielleicht ein kleines Fischerdorf wie Plaka. Der Duft von Salz und Fisch liegt in der Luft, und das Geräusch der Wellen wird lauter. Du steigst in ein kleines Boot. Es schaukelt sanft unter deinen Füßen, während der Motor anspringt und euch aufs offene Meer hinauszieht. Der Wind fängt an, dir durch die Haare zu streichen, ganz leicht, und du spürst feine Gischt auf deinem Gesicht. Dein Blick fällt auf die Insel vor dir, die langsam, aber stetig größer wird. Eine dunkle Silhouette, die aus dem azurblauen Wasser ragt, mit Mauern, die in der Sonne glänzen – geheimnisvoll und ein bisschen ehrfurchtgebietend.
Das Boot gleitet näher, bis du das leise Kratzen des Ankers hörst, als ihr vor der Insel haltmacht. Du steigst aus, der Boden unter deinen Füßen ist uneben, uralter Stein, der Millionen von Geschichten erzählen könnte. Ein kalter Hauch umfängt dich, als du den kurzen, dunklen Gang durch die Festungsmauer betrittst. Jeder Schritt hallt leise wider, und für einen Moment ist es, als würdest du in eine andere Zeit eintauchen. Dann öffnet sich der Gang, und du stehst mitten in der ehemaligen Leprakolonie. Die Luft ist hier anders, irgendwie stiller, schwerer. Du riechst den trockenen Stein, das Meer und eine Ahnung von Vergangenem.
Du schlenderst durch Gassen, wo einst Leben pulsierte, hörst vielleicht nur den Wind, der durch die leeren Fenster der zerfallenen Häuser pfeift. Die Sonne wärmt die alten Mauern, aber die Schatten in den Türen wirken kühl und einladend zugleich. Du legst deine Hand auf einen rauen Stein, spürst die Jahrhunderte, die er überdauert hat. Es ist eine tiefe Stille, die nur ab und zu von einem fernen Möwenschrei oder dem leisen Knirschen deiner Schritte unterbrochen wird. Du versuchst, dir vorzustellen, wie es hier war, die Stimmen, die Gerüche, die Hoffnungen und die Verzweiflung. Es ist ein Ort, der unter die Haut geht, ohne laut zu sein.
Oben auf den Mauern weht dir ein anderer Wind entgegen, frischer, freier. Dein Blick schweift über das glitzernde Meer, das sich bis zum Horizont erstreckt. Du siehst die Küste, die Fischerboote, die vorbeiziehen. Die Sonne strahlt, und die Weite des Meeres ist beruhigend. Es ist ein starker Kontrast: unter dir die Spuren des Leidens, über dir die unendliche Weite und Schönheit der Natur. Ein Moment, in dem du die Schwere des Ortes spürst, aber gleichzeitig auch die unfassbare Schönheit der Umgebung wahrnimmst. Es ist ein Gefühl von Demut und gleichzeitig tiefer Verbundenheit.
Wenn das Boot dich wieder zurückbringt, wird die Insel kleiner und kleiner hinter dir. Du spürst noch immer den leichten Seegang und den salzigen Geschmack auf den Lippen. Die Bilder der alten Häuser, der stillen Gassen und der weiten Ausblicke bleiben in deinem Kopf. Du hast nicht nur eine Insel besucht, sondern eine Geschichte erlebt, die tief in dir nachklingt. Es ist ein Ort, der dich nachdenklich macht, aber auch die Schönheit des Lebens und der Widerstandsfähigkeit des Menschen in Erinnerung ruft. Du nimmst etwas mit, das man nicht anfassen kann, aber das dich verändert hat.
Noch ein paar schnelle Tipps, weil du ja wissen willst, was man so macht: Zieh unbedingt bequeme, feste Schuhe an, es ist viel unebenes Kopfsteinpflaster. Nimm ausreichend Wasser mit, besonders im Sommer, denn auf der Insel gibt es so gut wie keine Versorgung. Am besten fährst du früh morgens oder am späten Nachmittag, um die größte Hitze und die Menschenmassen zu vermeiden. Die Boote fahren hauptsächlich von Plaka (kürzeste Überfahrt), Elounda und Agios Nikolaos ab. Auf der Insel selbst gibt es keine richtigen Toiletten oder Cafés, nur am Anleger manchmal kleine Stände. Und sei dir bewusst, dass der Ort nicht barrierefrei ist, viele Stufen und unebenes Gelände.
Olya aus den Gassen