Stell dir vor, du trittst ein. Nicht einfach nur durch eine Tür, sondern in eine andere Welt. Die Luft um dich herum wird sofort kühler, feuchter, und ein Hauch von Erde, von uraltem Gestein umgibt dich. Das Licht wird gedämpfter, und du hörst das leise, stetige Tropfen von Wasser – ein Rhythmus, der seit Jahrtausenden schlägt und dir das Gefühl gibt, tief in die Vergangenheit einzutauchen. Jeder Schritt auf dem feuchten Boden hallt leicht nach, während du dich an die Dunkelheit gewöhnst, die hier nicht leer ist, sondern voller Geheimnisse.
Deine Hand streicht vielleicht über eine kalte, glatte Wand, dann wieder über eine raue, fast lebendige Oberfläche. Spürst du die Tropfsteine? Manche fühlen sich an wie gefrorene Wasserfälle, so glatt und doch voller kleiner Unebenheiten. Andere ragen wie spitze Finger vom Höhlendach herab oder wachsen wie versteinerte Bäume aus dem Boden empor. Die Dunkelheit hier ist nicht bedrohlich, sondern voller Formen, die das gedämpfte Licht nur ahnen lässt, die deine Fantasie anregen und dich staunen lassen, was die Natur über Jahrmillionen erschaffen hat. Es ist ein Tanz aus Licht und Schatten, der die Dimensionen dieses unterirdischen Wunders immer wieder neu offenbart.
Plötzlich öffnet sich der Raum, und du spürst eine unerwartete Weite. Die Luft ist anders, feuchter, und ein leises Plätschern verrät: Wasser. Du gleitest sanft über den größten unterirdischen See Europas, den Lago Martel. Die Stille ist fast absolut, nur das leise Geräusch der Paddel ist zu hören, bis die ersten, zarten Töne einer Violine die Höhle füllen. Die Musik umhüllt dich, schwingt in den Felsen mit, trägt dich fort. Es ist, als würde die Höhle selbst atmen und singen, und du spürst, wie die Klänge von den Wänden zurückkommen, dich umarmen und eine Gänsehaut über deinen Körper jagen. Ein Moment purer Magie, den man nicht nur hört, sondern mit jeder Faser spürt.
Meine Oma, die ihr ganzes Leben hier auf Mallorca verbracht hat, erzählte immer eine besondere Geschichte über die Höhlen. Sie sagte, dass die Fischer früher, wenn ein Sturm aufzog und sie nicht mehr auf See konnten, sich an den Höhlen versammelten. Nicht um hineinzugehen – das war ihnen zu unheimlich –, sondern um die Geräusche zu hören, die aus der Tiefe kamen. Manchmal, so erzählte sie, hörten sie ein tiefes Grollen, wie das Herz der Insel, das ihnen sagte, wann der Sturm vorüber sein würde. Die Höhlen waren für sie nicht nur Felsen, sondern ein lebendiger Teil Mallorcas, der atmete und sprach, ein alter Freund, der ihnen half, die Launen des Meeres zu verstehen.
Ein Tipp: Wenn du die Massen vermeiden willst, komm gleich morgens zur ersten Tour um 10 Uhr oder spät nachmittags zur letzten. Die Temperatur in der Höhle ist konstant kühl, um die 17-21 Grad. Eine leichte Jacke oder ein Schal ist daher keine schlechte Idee, auch wenn es draußen heiß ist. Der Weg ist gut begehbar, aber festes, bequemes Schuhwerk ist immer besser, da es feucht sein kann. Tickets buchst du am besten online im Voraus. Das spart Wartezeit und sichert dir deinen Platz, besonders in der Hochsaison ist das ein Muss.
Nach dem Besuch der Höhlen lohnt sich ein Spaziergang durch Porto Cristo, den kleinen Hafenort direkt daneben. Dort kannst du am Wasser sitzen, die frische Meeresbrise genießen und das Erlebte in Ruhe sacken lassen. Es ist der perfekte Kontrast zur feuchten, dunklen Welt unter der Erde – das helle Licht Mallorcas, das Rauschen des Meeres und das Gefühl von Freiheit nach der faszinierenden Enge der Höhlen.
Liebe Grüße von der Straße,
Lena unterwegs