Hallo mein Lieber/meine Liebe,
Jerusalem ist wie ein Echo in der Seele, und die Grabeskirche... nun, die ist ein ganzes Orchester. Viele sehen nur die Steine, aber du wirst sie *fühlen*. Ich hab mir genau überlegt, wie du diesen Ort am besten erleben kannst, als würdest du mit geschlossenen Augen gehen und doch alles sehen.
Ankommen und Ankommenlassen
Stell dir vor, du trittst durch das große, schwere Holztor. Du hörst sofort ein tiefes, vielstimmiges Murmeln, ein Gemisch aus Gebeten, Schritten und dem leisen Klirren von Weihrauchgefäßen. Der Geruch? Ein alter, süßlicher Duft von Weihrauch, vermischt mit dem Geruch von kaltem Stein und Menschen. Es ist kühl hier drin, selbst wenn draußen die Sonne brennt.
Direkt vor dir, kaum bist du ein paar Schritte gegangen, liegt der Salbungsstein. Er ist glatt und dunkel, ein Marmorblock, der von unzähligen Händen poliert wurde. Du kannst dich davor hinknien, deine Hand darauflegen. Fühl die Kühle, die Ruhe, die von ihm ausgeht. Hier, so sagt man, wurde der Leichnam Jesu gesalbt. Es ist ein Ort der Andacht, der Trauer, aber auch des Friedens. Lass die Energie dieses Steins auf dich wirken, bevor du weitergehst. Hier beginnen wir, weil es der erste, unmittelbare und zutiefst menschliche Berührungspunkt ist.
Auf den Kalvarienberg – Hoch zum Felsen
Von hier aus wenden wir uns nach rechts und gehen die Stufen hinauf. Es sind nicht viele, aber sie sind steil und abgenutzt. Du wirst spüren, wie der Boden unter deinen Füßen uneben wird, wie du dich festhalten musst. Stell dir vor, wie hier seit Jahrhunderten Pilger hinaufsteigen. Oben angekommen, ist die Luft anders, irgendwie dichter, feierlicher. Du bist auf Golgatha, dem Ort der Kreuzigung.
Hier ist es eng, die Menschen stehen dicht beieinander. Hör das leise Summen der Gebete, die in vielen Sprachen gesprochen werden. Du kannst dich bücken und durch eine Öffnung im Boden den Felsen berühren, auf dem das Kreuz stand. Fühl den rauen, uralten Stein unter deinen Fingern. Er ist kalt und hart. Es ist ein Ort der rohen Emotionen, des Schmerzes und der Hoffnung. Nimm dir einen Moment, diese Schwere und gleichzeitig die tiefe Spiritualität zu spüren. Praktischer Tipp: Es gibt zwei Kapellen hier oben (eine griechisch-orthodoxe und eine lateinische), beide sind wichtig, aber konzentrier dich auf das Gefühl des Felsens selbst.
In die Tiefe – Zurück in die Zeit
Nach Golgatha gehen wir wieder hinunter, aber nicht direkt zum Grab. Wir tauchen tiefer ein. Du folgst den Gängen, die sich durch die Kirche schlängeln. Der Geruch von Weihrauch wird intensiver, die Luft wird feuchter und kühler. Du hörst das Echo deiner Schritte und das leise Tropfen von Wasser. Wir steigen hinab in die Kapelle der Heiligen Helena. Die Stufen sind unregelmäßig, ein echter Gang durch die Geschichte.
Hier unten ist es meist ruhiger, weniger überlaufen. Fühl die Feuchtigkeit auf deiner Haut, riech die muffige, erdige Luft. Die Wände sind aus grob behauenem Stein, du kannst sie berühren, ihre Unebenheiten spüren. Es ist ein Ort der Stille und der Einkehr. Von hier geht es noch eine Ebene tiefer zur Kapelle der Kreuzauffindung. Stell dir vor, wie hier vor Jahrhunderten das Kreuz gefunden wurde. Es ist ein Gefühl, als würdest du in die Eingeweide der Erde tauchen, an den Ursprung der Geschichte. Nimm dir hier Zeit, die Kühle und die Ruhe zu genießen. Es ist ein Kontrast zur Enge und den Emotionen von Golgatha.
Der Höhepunkt – Das Grab
Und dann, am Ende deines Weges, heben wir das Wichtigste auf: das Grab Jesu. Du wirst dich wieder in der großen Rotunde der Kirche befinden, wo das Licht von oben durch die Kuppel fällt. Von überall her strömen die Menschen zu einem kleinen, aufwendig verzierten Gebäude in der Mitte – der Ädikula. Hier ist der Höhepunkt, der Moment, auf den alles zuläuft.
Du wirst dich in eine Schlange einreihen müssen. Hör die gedämpften Stimmen, das leise Scharren der Füße. Fühl die Vorfreude, die Anspannung, die in der Luft liegt. Wenn du an der Reihe bist, wirst du zuerst die Engelskapelle betreten. Es ist ein kleiner Raum, in dem ein Steinblock liegt. Du kannst ihn berühren, er ist glatt und kühl. Dann gehst du durch eine niedrige Tür in die eigentliche Grabkammer. Der Raum ist winzig, vielleicht nur zwei auf drei Meter. Es ist dunkel, nur ein paar Lampen spenden Licht. Die Luft ist warm und erfüllt vom Atem der Menschen. Du wirst den Marmor des Grabs spüren, der von unzähligen Küssen und Berührungen poliert ist. Es ist ein überwältigendes Gefühl, ein Moment der tiefen Stille inmitten des Trubels. Nimm diesen Moment ganz in dich auf, atme tief ein. Es ist kurz, aber intensiv.
Was du getrost "überspringen" kannst (oder anders erleben)
Ganz ehrlich, die Grabeskirche ist ein Labyrinth aus Kapellen, die verschiedenen christlichen Konfessionen gehören. Versuch nicht, jede einzelne zu finden oder zu verstehen. Das würde dich nur überfordern und von dem ablenken, was wirklich zählt: dein eigenes Erleben.
Wenn du merkst, dass ein Bereich zu überfüllt ist oder du dich einfach nicht hingezogen fühlst, dann geh weiter. Es ist okay, nicht alles zu sehen. Dein Fokus sollte auf den Hauptpunkten liegen, die wir besprochen haben, und vor allem auf dem, was du *fühlst*. Hör auf deinen Körper, auf deine Intuition. Wenn du einen ruhigen Winkel findest, setz dich einen Moment hin, schließ die Augen und lass die Geräusche und Gerüche auf dich wirken. Manchmal ist das die tiefste Erfahrung.
Bleib hydriert, zieh bequeme Schuhe an und sei einfach offen für alles, was kommt.
Léa from the road