Stell dir vor, es ist noch stockdunkel. Der Wecker hat dich gnadenlos aus dem Schlaf gerissen, aber die kühle, feuchte Luft, die dir entgegenweht, sobald du die Tür öffnest, ist wie ein Versprechen. Du hörst nur das ferne Zirpen der Zikaden, ab und zu ein leises Tuckern eines Tuk-Tuks, das schon andere Frühaufsteher zum Tempel bringt. Du spürst die Vorfreude, die sich in dir ausbreitet, eine fast kindliche Aufregung, während du dich durch die Dunkelheit tastest, nur den Schein deines Handys als Wegweiser. Der Duft von feuchter Erde und alten Steinen liegt in der Luft, eine Ahnung dessen, was dich erwartet.
Und dann stehst du da. Vor dir die Silhouette, die langsam aus dem Dunkel auftaucht, zuerst nur ein Schatten, dann die klaren Linien der Türme. Du hörst das leise Raunen der Menge um dich herum, ein Gemurmel von Dutzenden Menschen, die alle das Gleiche erwarten. Die ersten zarten Farben erscheinen am Horizont – ein Hauch von Rosa, dann ein flammendes Orange, das sich in den Wasserbecken vor dem Tempel spiegelt, als würde der Himmel selbst in Flammen stehen. Du spürst, wie die Wärme der aufgehenden Sonne langsam deine Haut berührt, während die goldenen Strahlen die alten Steine küssen und sie zum Leben erwecken. Es ist ein Moment, in dem die Zeit stillzustehen scheint, ein Gefühl von tiefer Ehrfurcht, das dir den Atem raubt.
Nachdem die Sonne ihre volle Pracht entfaltet hat, tauchst du ein in das Innere des Haupttempels. Du wanderst durch endlose Galerien, deren kühle Steine unter deinen Fingern eine Geschichte von Jahrhunderten erzählen. Deine Blicke gleiten über die filigranen Basreliefs, die sich über meterlange Wände erstrecken – Tänzerinnen, Schlachten, Götter. Du spürst die glatten, fast polierten Oberflächen unter deinen Handflächen, wo unzählige Besucher vor dir denselben Weg gegangen sind. Die Luft ist hier drinnen deutlich kühler, ein willkommener Kontrast zur Wärme draußen. Du hörst deine eigenen Schritte widerhallen und manchmal das leise Murmeln eines Mönchs oder das Flüstern anderer Besucher, das sich in den hohen Gewölben verliert.
Ganz praktisch: Für Angkor Wat selbst empfehle ich dir unbedingt leichte, aber bedeckende Kleidung – Schultern und Knie müssen bedeckt sein, sonst kommst du nicht rein. Bequeme Schuhe sind ein Muss, du wirst viel laufen. Nimm eine große Flasche Wasser mit, auch wenn es drinnen kühl ist, draußen kann es schnell heiß werden. Und um die Massen nach dem Sonnenaufgang etwas zu umgehen, plan am besten, direkt nach dem Spektakel die Hauptwege zu verlassen und die Seitenflügel oder oberen Ebenen zu erkunden, bevor alle anderen dorthin strömen.
Nachdem du Angkor Wat auf dich wirken lassen konntest, geht die Reise weiter zu den anderen Wundern des Komplexes. Stell dir vor, du stehst vor den riesigen Steingesichtern von Bayon in Angkor Thom – über 200 lächelnde, mysteriöse Gesichter, die dich von allen Seiten anblicken, egal wohin du dich wendest. Du spürst eine fast surreale Atmosphäre, eine Mischung aus Ehrfurcht und kindlichem Staunen. Die Augen der Gesichter scheinen dich zu verfolgen, während du dich durch die engen Gänge schlängelst. Später läufst du durch Ta Prohm, den „Dschungeltempel“, wo riesige Baumwurzeln wie Schlangen die alten Steine umschlingen und die Natur sich ihren Raum zurückerobert hat. Du hörst das Rascheln der Blätter im Wind und riechst den erdigen Duft des Waldes, der sich mit dem Geruch von feuchtem Stein vermischt. Es ist ein Ort, der dir die unglaubliche Kraft der Natur vor Augen führt.
Für den gesamten Angkor-Komplex sind ein paar Dinge Gold wert: Ein Tuk-Tuk-Fahrer für den Tag ist die entspannteste Option, um von Tempel zu Tempel zu kommen – sie warten auf dich und kennen die besten Wege. Alternativ kannst du dir auch ein Fahrrad mieten, wenn du fit bist und die Hitze verträgst. Überall gibt es kleine Stände, die frische Kokosnüsse und kalte Getränke verkaufen, nutze das! Eine Kopfbedeckung und Sonnencreme sind unerlässlich. Und falls du mehr als einen Tag Zeit hast: Ein Mehrtagesticket lohnt sich, um die Magie wirklich aufzusaugen und nicht alles in einen einzigen, überfüllten Tag pressen zu müssen.
Wenn der Tag sich dem Ende neigt und du dich auf den Rückweg machst, spürst du die Müdigkeit in deinen Beinen, aber auch eine tiefe Zufriedenheit. Die letzten Sonnenstrahlen wärmen noch einmal dein Gesicht, während das Tuk-Tuk sanft über die staubigen Wege holpert. Du schließt die Augen und siehst immer noch die lächelnden Gesichter von Bayon vor dir, spürst die kühlen Steine unter deinen Händen und hörst das Echo alter Geschichten. Es ist ein Gefühl, das dich noch lange begleiten wird – die Gewissheit, etwas wirklich Einzigartiges erlebt zu haben, das dich tief berührt hat.
Lina unterwegs