Stell dir vor, du trittst aus dem Gewirr der Gassen des French Quarter heraus, und plötzlich öffnet sich alles. Da ist er. Der Mississippi. Du stehst nicht einfach nur davor, du spürst seine schiere Größe. Ein tiefer, fast erdiger Geruch von nassem Schlamm und alter Geschichte steigt auf, vermischt mit einem Hauch von Salz, das die Ozeanluft mitbringt, obwohl das Meer noch weit ist. Du hörst ein tiefes, dumpfes Brummen, das nicht von einem Motor kommt, sondern vom Strom selbst – eine unaufhörliche, mächtige Bewegung. Der Wind, der hier immer zu wehen scheint, streicht über dein Gesicht, bringt die Feuchtigkeit des Wassers mit sich und lässt dich die Weite dieses Flusses wirklich fühlen. Wenn du vom French Quarter kommst, ist der Weg zum Woldenberg Park und dem Moonwalk der natürlichste Zugang, ein einfacher Spaziergang, der dich direkt zu dieser gewaltigen Kulisse führt.
Du gehst ein paar Schritte näher, vielleicht bis zum Geländer des Moonwalks, und blickst hinab. Das Wasser ist nicht blau oder klar; es ist ein sattes, undurchdringliches Braun, als ob die Erde selbst durch deine Finger rinnt. Du siehst, wie Äste und Baumstämme, die Hunderte von Meilen flussaufwärts unterwegs waren, an dir vorbeiziehen, getragen von einer unsichtbaren, aber unaufhaltsamen Kraft. Es ist ein faszinierendes Schauspiel der Langsamkeit und der unendlichen Bewegung zugleich. Du kannst dich auf eine der Bänke im Woldenberg Park setzen, die direkt zum Fluss ausgerichtet sind, und einfach nur zusehen, wie diese braune Masse unermüdlich dem Meer entgegenfließt. Achte darauf, nicht zu nah an die Uferkante zu gehen; der Sog des Stroms ist stärker, als er aussieht.
Plötzlich hörst du eine heitere, fast kindliche Melodie, die über das Wasser getragen wird. Es ist die Calliope-Orgel eines Schaufelraddampfers, und das Geräusch ist unverkennbar New Orleans. Du siehst den Dampfer, wie er majestätisch den Fluss hinauf- oder hinunterfährt, die riesigen Schaufelräder, die das braune Wasser aufwirbeln. Stell dir vor, du stehst an Deck, spürst das sanfte Schaukeln unter deinen Füßen und den Geruch von feuchtem Holz und einem Hauch von Kohle oder Diesel in der Luft. Die Stadt gleitet langsam vorbei, und du siehst New Orleans aus einer völlig neuen Perspektive – die Skyline, die Hafenanlagen, die grünen Ufer. Die Natchez ist der bekannteste dieser Dampfer; du kannst einfach am Steg am Toulouse Street Wharf einsteigen. Buche am besten online im Voraus, besonders wenn du eine der Dinner- oder Jazz-Cruises machen möchtest, denn die sind sehr beliebt.
Wenn du wieder festen Boden unter den Füßen hast, bleib noch eine Weile am Ufer. Du hörst die Geräusche der Stadt, die sich mit dem Flüstern des Flusses vermischen: das ferne Läuten einer Straßenbahn, das Lachen von Kindern, das Murmeln von Gesprächen. Manchmal spielt ein Straßenmusiker am Ufer Blues auf seiner Gitarre, und die Noten schweben über das Wasser. In der Luft liegt der Duft von Gumbo und frittierten Meeresfrüchten, die von den umliegenden Restaurants und Ständen herüberwehen. Der Riverwalk Marketplace ist direkt am Fluss und bietet viele Möglichkeiten für einen schnellen Snack oder ein Souvenir, falls du etwas Praktisches suchst. Die späten Nachmittagsstunden, wenn die Sonne langsam tiefer sinkt und das Licht weicher wird, sind besonders magisch hier unten.
Lehn dich an das Geländer und lass die Zeit einfach vorbeiziehen. Du spürst nicht nur den Fluss, sondern auch die unzähligen Geschichten, die er in sich trägt – von alten Plantagen, von Baumwolle und Zuckerrohr, von Blues und Jazz, von Handel und Schicksalen. Der Mississippi ist ein stiller Zeuge der amerikanischen Geschichte, und wenn du ihm lauschst, kannst du fast die Echos vergangener Jahrhunderte hören. Es ist ein Ort, an dem man einfach sein kann, ohne etwas Bestimmtes tun zu müssen. Finde eine ruhige Ecke, vielleicht auf einer der Parkbänke abseits des Haupttrubels, und lass die Größe und die Geschichte auf dich wirken.
Bis zum nächsten Mal,
Olya from the backstreets