Stell dir vor, du stehst vor einer unscheinbaren Holztür im Herzen Granadas, nur einen Steinwurf von der Alhambra entfernt. Du trittst ein, und sofort umfängt dich nicht nur eine Welle warmer, feuchter Luft, sondern auch ein Duft, der dich augenblicklich in eine andere Welt versetzt: eine Mischung aus Orangenblüte, Sandelholz und einem Hauch von Minze. Deine Schritte werden langsamer, fast ehrfürchtig, auf den kühlen Steinfliesen. Du hörst kein lautes Lachen, keine geschäftigen Gespräche, nur das leise Plätschern von Wasser, das von irgendwoher widerhallt, und vielleicht das gedämpfte Flüstern anderer Besucher. Es ist, als würde der Alltag draußen verblassen, während deine Sinne sich öffnen, bereit für das, was kommt.
Bevor du überhaupt in dieses Bad der Sinne eintauchst, ein Tipp von Freund zu Freundin: Buche online und im Voraus. Wirklich, mach das! Besonders am Wochenende oder abends ist es sonst schwierig, einen Platz zu bekommen. Plane deine Ankunft etwa 15 Minuten vor deiner gebuchten Zeit ein. Das gibt dir genug Puffer, um dich in Ruhe umzuziehen. Du bekommst ein Handtuch gestellt, aber pack dir deinen Badeanzug ein. Und ganz wichtig: Lass den ganzen Alltagskram – vor allem dein Handy – im Schließfach. Hier geht es ums Abschalten, ums Fühlen, nicht ums Posten.
Dein Weg durch den Hammam ist eine Reise durch verschiedene Temperaturen und Empfindungen. Starte im *Tepidarium*, dem warmen Raum. Die Luft ist hier sanft, umarmend, bereitet deine Haut und deine Muskeln auf die tiefere Wärme vor. Fühl, wie sich die Anspannung aus deinen Schultern löst, während du auf den beheizten Steinbänken liegst. Von dort geht es weiter ins *Caldarium*, den Heißraum. Hier ist die Wärme intensiver, feuchter. Deine Poren öffnen sich, und du spürst förmlich, wie dein Körper beginnt, sich zu reinigen. Verweile hier, bis du dich richtig durchgewärmt fühlst. Dann kommt der Moment des Mutes: das *Frigidarium*, das Kaltwasserbecken. Tauch kurz ein! Es ist ein Schock, ja, aber ein belebender, der dein Blut in Wallung bringt und dich unglaublich wach fühlen lässt. Wiederhole den Zyklus aus warm, heiß und kalt ruhig ein paar Mal, das ist das Geheimnis des Hammam-Erlebnisses. Wenn du das Kessa-Ritual gebucht hast, findet das meist im warmen oder heißen Raum statt – das ist eine Erfahrung für sich, aber wenn du es nicht gebucht hast, verpasst du nichts Entscheidendes fürs reine Badeerlebnis. Mein absoluter Favorit, den du dir unbedingt für den Schluss aufheben solltest, ist das *Salzbecken*. Hier schwebst du im warmen Salzwasser, fast schwerelos. Die Stille ist tief, und du fühlst dich, als ob du auf Wolken liegst. Das ist der Moment, in dem alles zur Ruhe kommt, und du nur noch die sanfte Bewegung des Wassers um dich herum wahrnimmst.
Ein paar letzte Gedanken, damit dein Besuch perfekt wird: Sprich leise. Der Hammam ist ein Ort der Ruhe und Meditation. Jedes laute Geräusch stört die Atmosphäre. Du hast etwa 1,5 Stunden Zeit, das klingt kurz, ist aber perfekt, um alle Bereiche auszukosten, ohne dass es zu viel wird. Trink zwischendurch immer wieder Wasser oder den frischen Minztee, den sie im Ruheraum anbieten. Dieser Ruheraum, die *Teestube*, ist auch der ideale Abschluss deines Besuchs. Nach all den intensiven Empfindungen kannst du hier auf weichen Kissen entspannen, den warmen Tee schlürfen und langsam wieder in die Realität zurückkehren, aber mit einem Gefühl tiefer Entspannung und Reinheit. Es ist dein persönlicher Moment, um das Erlebte nachklingen zu lassen, bevor du wieder in die lebhaften Gassen Granadas eintauchst.
Olya von den Gassen