Stell dir vor, du sitzt auf einem Vaporetto, das sanft über die Lagune gleitet. Die Sonne wärmt dein Gesicht, und eine leichte Brise trägt den salzigen Geruch des Meeres zu dir. Du hast Venedig hinter dir gelassen, die Hektik verblasst mit jedem zurückgelegten Meter. Und dann, am Horizont, tauchen sie auf: erste Farbtupfer, wie kleine Farbspritzer auf einer Leinwand, die immer größer und leuchtender werden. Das ist Burano, ein Ort, der dir schon beim Annähern das Herz aufgehen lässt. Es ist kein Geheimnis, dass diese Insel berühmt ist für ihre bunten Häuser, aber es ist das Gefühl, das dich überkommt, wenn du näherkommst, das wirklich zählt. Du spürst eine Vorfreude, eine kindliche Neugier, die dich packt und nicht mehr loslässt.
Wenn du von Bord gehst, ist es, als würdest du in einen Farbtopf fallen – aber auf die schönste Art und Weise. Jedes Haus strahlt in einer anderen, lebendigen Farbe: leuchtendes Gelb, tiefes Blau, kräftiges Rot, zartes Rosa. Du hörst das leise Plätschern des Wassers an den Kanälen, das ferne Lachen von Kindern, und vielleicht das Klappern einer Nähmaschine aus einem der offenen Fenster. Du gehst durch die Gassen, deine Schritte hallen leicht auf dem Kopfsteinpflaster wider, und überall riecht es nach frischer Wäsche, die in der Sonne trocknet, und manchmal auch nach frisch gebackenem Gebäck. Es ist ein Spaziergang durch ein lebendiges Gemälde, bei dem du dich fragst, welche Geschichte wohl hinter jeder dieser farbigen Fassaden steckt.
Am besten startest du direkt am Vaporetto-Anleger. Von dort führt dich ein breiterer Kanal, der Rio Pontinello, ins Herz der Insel. Mein Tipp: Lass dich einfach treiben. Die Hauptwege sind wunderschön, aber die Magie Buranos entfaltet sich in den kleinen Seitenstraßen. Schau in die Fenster der Häuser, viele sind offen und geben einen Einblick ins lokale Leben. Achte auf die Spitzenläden – Burano ist berühmt für seine handgemachte Spitze, auch wenn viele heute leider nur noch importierte Ware verkaufen. Wenn du Wert auf Authentizität legst, suche gezielt nach den kleinen Ateliers, die noch echte Burano-Spitze anbieten. Das sind oft unscheinbare Läden, die aber ein wahres Handwerk bewahren.
Verliere dich absichtlich in den Gassen abseits des Hauptstroms. Hier wird es ruhiger, intimer, und du entdeckst die wahren Winkel der Insel. Du findest kleine Brücken, die über winzige Kanäle führen, und versteckte Innenhöfe, in denen Katzen dösen. Halte Ausschau nach dem schiefen Glockenturm von San Martino – er ist ein bisschen wie der Pisa-Turm, nur farbenfroher umgeben. Und für den Abschluss deines Besuchs: Heb dir den Blick auf die bunten Häuser vom Wasser aus auf, kurz bevor du wieder aufs Vaporetto steigst. Oder noch besser: Such dir eine ruhige Bank am Wasser, abseits der Touristenpfade, und schau den Fischern zu, wie sie ihre Netze flicken. Das ist der Moment, in dem Burano wirklich zu dir spricht.
Bevor du gehst, musst du unbedingt die lokale Küche probieren. Burano ist eine Fischerinsel, also ist frischer Fisch ein Muss. Such dir ein kleines, familiengeführtes Restaurant, vielleicht eines abseits der Hauptwege, wo die Einheimischen essen. Probier die "Risotto di Gò", ein Risotto mit Grundeln, einem lokalen Fisch – es ist ein Geschmackserlebnis, das du so schnell nicht vergessen wirst. Und für den süßen Abschluss: die "Bussolà Buranello", ein trockenes, ringförmiges Gebäck, das perfekt zum Kaffee passt. Mit dem Duft von Gebäck und dem Geschmack von frischem Fisch auf der Zunge wirst du Burano verlassen, aber die Farben und die Ruhe der Insel bleiben noch lange in deinem Herzen. Es ist ein Ort, der dir zeigt, wie viel Schönheit in Einfachheit liegen kann.
Olya von den Gassen