Stell dir vor, du stehst auf einem Bahnhof, vielleicht in Chur oder St. Moritz. Die Luft ist klar und frisch, ein leichter Wind streicht über dein Gesicht. Du hörst das tiefe Grollen eines Zuges, das langsam näherkommt, ein metallisches Quietschen, dann ein sanftes Zischen, wenn er zum Stehen kommt. Du spürst die leichte Vibration des Bahnsteigs unter deinen Füßen. Der Bernina Express? Das ist kein einfacher Zug, das ist eine Reise für alle Sinne, vom ersten Moment an. Du steigst ein, fühlst das weiche Polster unter dir, den festen Griff der Armlehne. Dann ein leichter Ruck, und du merkst, wie du sanft ins Rollen kommst. Die anfängliche Aufregung kribbelt im Bauch, während der Zug langsam Fahrt aufnimmt.
Du merkst, wie sich die Landschaft ganz allmählich verändert. Zuerst spürst du die Wärme der Täler, die leichte Brise durch ein offenes Fenster. Dann, während der Zug sich langsam aber stetig nach oben schraubt, wird die Luft kühler, frischer, und du atmest tiefer ein. Du hörst das rhythmische Klackern der Räder auf den Schienen, das sich manchmal zu einem tiefen Dröhnen verstärkt, wenn der Zug sich in eine Kurve legt. Es fühlt sich an, als würde er sich an die Felsen schmiegen, immer höher und höher. Ein Tipp, um das alles wirklich zu erleben: Buch deine Plätze unbedingt im Voraus, besonders wenn du diese speziellen Panoramawagen möchtest. Die sind oft schnell weg.
Plötzlich merkst du, wie sich der Zug in eine enge Kehre legt, ein fast schwindelerregendes Gefühl, als würdest du dich um dich selbst drehen. Die Geräusche von außen werden lauter, hallen wider, dann wieder leiser, als würdest du durch ein Labyrinth fahren. Das ist das Gefühl, wenn der Zug über diese unglaublichen Rundviadukte fährt – ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das du nicht sehen, aber mit jeder Faser deines Körpers spüren kannst. Dann, ein plötzlicher, kühler Luftzug, Dunkelheit umfängt dich, die Geräusche werden gedämpft, nur das rhythmische Rattern des Zuges bleibt. Das ist ein Tunnel. Ein paar Sekunden später, und du spürst wieder die Helligkeit, die Wärme der Sonne auf deiner Haut. Du wirst merken, wie sich die Temperaturen ändern. Pack dich in Schichten ein; im Sommer ist es unten warm, aber oben in den Bergen kann es empfindlich kühl werden. Im Winter ist es natürlich durchweg kalt, aber dafür riecht die Luft so unglaublich rein und klar.
Je höher du kommst, desto spürbarer wird die Veränderung. Die Luft wird eisig und klar, du spürst die Kälte, die von den umliegenden Berggipfeln herabströmt. Die Geräusche scheinen gedämpfter, fast ehrfürchtig. Du bist jetzt mitten in der Hochalpenwelt. Stell dir vor, du bist von einer unendlichen Weite umgeben, die Stille ist fast greifbar, nur unterbrochen vom leisen Knirschen der Räder. Wenn du die Möglichkeit hast, wähle einen Wagen mit Fenstern, die sich öffnen lassen. Ja, die Panoramawagen sind toll für das Gefühl von Weite und Licht, aber in einem Wagen mit offenen Fenstern kannst du die eiskalte, reine Bergluft wirklich riechen und fühlen, das Echo der Zuggeräusche von den Felsen hören und die Vibrationen der Gleise direkt spüren. Das ist ein ganz anderes, viel direkteres Erlebnis.
Und dann, ganz allmählich, merkst du, wie sich die Kälte wieder zurückzieht. Die Luft wird wärmer, weicher, und du beginnst, neue Gerüche wahrzunehmen – vielleicht den Duft von Kiefern, dann von Erde, später sogar von Olivenhainen, wenn du tiefer in den Süden kommst. Du fühlst, wie der Zug sanft abwärts gleitet, die Kurven werden weniger scharf, das Tempo wird manchmal schneller. Das ist der Übergang in eine andere Welt, nach Italien. Du spürst die Veränderung der Vegetation, die Wärme auf deiner Haut, die Geräusche der Zivilisation, die wieder lauter werden. Schließlich kommst du in Tirano an. Du spürst, wie der Zug zum Stillstand kommt, das leise Zischen der Bremsen. Ein Gefühl von Erfüllung und ein Hauch von Wehmut, dass diese unglaubliche Reise schon zu Ende ist. Die Fahrt dauert etwa vier Stunden von St. Moritz oder Chur bis Tirano – plane also genug Zeit ein, um danach noch etwas zu erkunden oder dich auszuruhen, bevor es weitergeht oder zurück.
Alles Liebe,
Clara unterwegs