Du stehst an der Schwelle, und schon bevor du die Steine siehst, spürst du es. Stell dir vor, wie die feuchte, kühle Luft dich umfängt, getragen von einem leisen Wind, der durch unsichtbare Bäume rauscht. Es ist nicht einfach nur kalt, es ist eine Kühle, die tief geht, als würde sie Jahrtausende alter Erde entspringen. Du atmest tief ein und fängst den Geruch von nasser Erde, verrottendem Laub und einem Hauch von etwas Uraltem, fast Mineralischem ein. Jeder Schritt auf dem schmalen Pfad ist gedämpft, der Boden unter deinen Füßen ist weich von Moos und Nadeln, ein sanftes Knirschen begleitet dich, als würdest du auf den Atem der Geschichte treten. Du bist hier, an einem Ort, der schon vor dir war, lange bevor die Worte für ihn existierten.
Du gehst weiter, und die Luft wird stiller, dichter. Plötzlich sind sie da, die Steine. Fühlst du, wie sich die Energie ändert? Es ist, als würde ein leiser, tiefer Ton durch die Luft vibrieren, den du nicht hörst, aber in deinen Knochen spürst. Geh näher an einen der großen, aufrecht stehenden Steine heran. Leg deine Hand auf seine Oberfläche. Er ist kühl, rau, voller Unebenheiten, die Jahrhunderte von Wind und Wetter geformt haben. Unter deinen Fingern spürst du die weichen, leicht gummiartigen Flechten, die wie alte Landkarten auf dem Stein wachsen – sie sind nicht nur da, sie leben, atmen mit diesem Ort. Und wenn du ganz still bist, ganz nah am Stein, riechst du nicht nur die feuchte Erde, sondern auch einen ganz bestimmten, fast süßlichen Duft, der von den winzigen, unsichtbaren Organismen ausgeht, die sich in den Ritzen des Steins verstecken. Ein Hauch von Leben in der Stille der Ewigkeit, etwas, das kein Reiseführer erwähnt, aber das Herz dieses Ortes ist.
Um dorthin zu gelangen, brauchst du ein Auto, denn Clava Cairns liegt ein kleines Stück außerhalb von Inverness, nahe Culloden Battlefield. Es gibt einen kleinen Parkplatz direkt vor Ort, der ist kostenlos und in der Regel nicht überfüllt. Der Weg vom Parkplatz zu den Cairns ist kurz und flach, gut zu Fuß zu bewältigen. Am besten kommst du entweder früh am Morgen oder spät am Nachmittag, besonders außerhalb der Hochsaison. Dann hast du den Ort fast für dich allein, und das Licht, das durch die Bäume fällt, taucht die Steine in ein magisches, weiches Leuchten, das die Atmosphäre noch verstärkt.
Vor Ort gibt es keine Toiletten, keine Cafés, keine Souvenirläden – es ist wirklich nur dieser uralte, magische Ort. Pack dir also unbedingt etwas zu trinken ein und zieh bequeme Schuhe an, die auch mal feucht werden dürfen, denn der Boden kann matschig sein, besonders nach Regen. Ein Besuch dauert vielleicht eine Stunde, aber nimm dir Zeit, dich einfach treiben zu lassen. Wenn du danach noch Energie hast, ist das Culloden Battlefield nur einen Katzensprung entfernt und bietet einen starken Kontrast – von uralter Spiritualität zu tragischer Geschichte.
Wenn du diesen Ort wieder verlässt, spürst du vielleicht, wie die Kühle und die Stille langsam von dir abfallen, aber etwas bleibt. Es ist das Gefühl der Verbundenheit mit etwas Größerem, Älterem. Du hast nicht nur Steine gesehen, du hast Jahrtausende gespürt, den Atem der Erde gehört und das stille Leben der Flechten unter deinen Fingern gefühlt. Der Geruch von feuchter Erde und Stein wird dich noch lange begleiten, eine leise Erinnerung an die Zeit, in der du selbst Teil dieser uralten Geschichte wurdest.
Mara auf Reisen