Stell dir vor, du steigst aus der Métro, vielleicht an der Station Belleville oder Pyrénées. Sofort umfängt dich eine andere Luft, eine Mischung aus dem Geruch von frischem Brot und einem Hauch von Gewürzen, die du noch nicht ganz zuordnen kannst. Unter deinen Füßen spürst du nicht mehr den glatten Boden der Station, sondern den leicht unebenen, lebendigen Asphalt der Straße, der vibriert. Du hörst ein vielstimmiges Stimmengewirr – Französisch, Chinesisch, Arabisch, Lachen, das Klappern von Geschirr aus einem Café – all das vermischt sich zu einer einzigartigen Melodie.
Du beginnst zu gehen, lässt dich treiben, ohne ein konkretes Ziel. Deine Fingerspitzen könnten fast die raue Textur der Street-Art an den Wänden spüren, die hier wie gemalte Geschichten leben. Überall leuchten Farben, die Geschichten erzählen, ohne Worte zu brauchen. Du hörst das leise Summen einer Nähmaschine aus einem kleinen Atelier, das Klirren von Flaschen, wenn jemand Müll entsorgt, und immer wieder ein fernes Lachen, das näherkommt und wieder verstummt. Die Sonne, wenn sie scheint, wirft lange Schatten auf die Kopfsteinpflastergassen, die sich wie Adern durch das Viertel ziehen. Manchmal spürst du eine leichte Brise, die den Duft von Kaffee und einem Hauch von Abgasen mit sich trägt. Überall begegnen dir Menschen, die mit ihren Einkaufstaschen in der Hand plaudern, Kinder, die Fangen spielen, oder alte Männer, die vor Cafés sitzen und das Leben beobachten.
Und dann der Hunger! Du riechst ihn, bevor du ihn siehst: den Duft von knusprigen Frühlingsrollen, der aus einem unscheinbaren Imbiss strömt, oder das süße, warme Aroma eines frisch gebackenen Gebäcks aus einer Bäckerei um die Ecke. Der erste Bissen einer noch warmen Falafel-Tasche, die du dir auf die Hand nimmst, ist ein Geschmackserlebnis – die knusprige Hülle, die cremige Füllung, der frische Salat, alles zusammen ein Feuerwerk im Mund. Such dir ein Café, setz dich an einen kleinen Tisch. Spür die Wärme der Tasse in deinen Händen, während du den Espresso langsam trinkst. Hör dem Stimmengewirr um dich herum zu, dem Klappern der Tassen, dem Surren der Espressomaschine – das ist der Sound von Paris, abseits der Touristenpfade. Für gutes Essen empfehle ich dir, einfach den Nasen nachzugehen. Aber wenn du etwas Konkretes suchst: Rund um die Rue de Belleville und die Rue Denoyez findest du viele kleine Restaurants mit authentischer Küche aus aller Welt. Probiere unbedingt die chinesischen oder vietnamesischen Lokale, die sind top und oft sehr günstig. Und für ein schnelles, leckeres Frühstück hol dir ein Pain au Chocolat in einer der Boulangeries – die sind hier noch wirklich handgemacht.
Nach all den Eindrücken zieht es dich nach oben, in den Parc de Belleville. Der Weg dorthin ist ein kleiner Aufstieg, du spürst deine Beine, wie sie die Steigung nehmen. Aber oben angekommen, weht dir ein frischer Wind ins Gesicht, der alle Gerüche der Stadt für einen Moment vertreibt. Du lehnst dich an das Geländer, die Wärme der Sonne auf deiner Haut, und plötzlich liegt Paris unter dir. Die Dächer, die Türme, alles breitet sich aus wie ein Teppich. Du hörst nur das ferne Rauschen der Stadt, gedämpft, und vielleicht das Lachen von Kindern, die im Park spielen. Es ist ein Moment der Ruhe, ein tiefes Ausatmen, während du die Weite auf dich wirken lässt. Du fühlst die Größe der Stadt, aber auch die Geborgenheit dieses kleinen Fleckchens Grün über ihr.
Belleville ist am besten mit der Métro zu erreichen (Linien 2 und 11, Station Belleville oder Pyrénées). Zieh unbedingt bequeme Schuhe an – es geht viel bergauf und bergab, und du wirst viel zu Fuß unterwegs sein, um alles zu entdecken. Der beste Zeitpunkt für einen Besuch ist der späte Vormittag oder Nachmittag. Dienstags und freitags gibt es auch einen lebhaften Markt unter dem Métro-Viadukt (Marché de Belleville) – ein echtes Spektakel für die Sinne, wenn du das Gewimmel und die Gerüche von frischen Lebensmitteln magst. Die Rue Denoyez ist bekannt für ihre wechselnde Street Art. Lass dich dort einfach treiben und entdecke immer wieder Neues. Es ist ein Freiluftmuseum, das sich ständig verändert. Die Gegend ist tagsüber sehr sicher und lebendig. Wie überall in einer Großstadt solltest du aber auf deine Wertsachen achten.
Belleville ist nicht das Paris aus den Postkarten, aber es ist das Paris, das lebt, das atmet, das echt ist. Es ist ein Ort, an dem du spürst, wie die Stadt pulsiert, abseits vom Trubel der Touristenmassen. Du gehst mit einem Gefühl von Echtheit und einer Fülle an neuen Eindrücken.
Olya from the backstreets