Stell dir vor, du sitzt im Auto, die Stadtgeräusche werden leiser, die Hochhäuser weichen kleinen Dörfern und grünen Hügeln. Du spürst, wie die Luft kühler und klarer wird, der Duft von Erde und fernen Kiefern weht durchs offene Fenster. Die Straße windet sich, und dann, plötzlich, zeichnen sich am Horizont die Umrisse von Bergen ab – nicht nur Berge, sondern auf ihren Graten schlängelt sich ein Band aus Stein, das sich in die Ferne verliert. Dein Herzschlag beschleunigt sich ein wenig, eine Mischung aus Vorfreude und Ehrfurcht.
Du steigst aus und die Luft ist anders hier oben, frischer, belebender. Der Wind streicht sanft über dein Gesicht und trägt das leise Rauschen der Bäume mit sich. Vor dir liegt der Fuß der Mauer, massiv und uralt. Du legst deine Hand auf einen der groben, kühlen Steine, spürst die Jahrhunderte, die er schon hier liegt. Die Größe des Bauwerks überwältigt dich, es ist so viel größer, als du es dir vorgestellt hast. Du hörst gedämpfte Stimmen, das ferne Lachen anderer Besucher, aber auch eine tiefe Stille, die nur von der Natur unterbrochen wird.
Der erste Schritt auf den alten Steinen. Du spürst die Unebenheiten unter deinen Füßen, jeder Tritt ist bewusst. Es geht bergauf, Stufe für Stufe, mal flacher, mal so steil, dass du dich an den Seitenwänden festhalten musst. Deine Muskeln arbeiten, dein Atem geht tiefer, aber mit jedem Schritt, den du höher kommst, öffnet sich die Landschaft mehr. Du siehst, wie sich die Mauer wie ein Drache über die Bergrücken schlängelt, verschwindet hinter einem Gipfel und taucht auf dem nächsten wieder auf. Die Sonne wärmt deinen Rücken, während du dich nach oben kämpfst, und du spürst die Energie, die durch dich strömt.
Du stehst oben, der Wind streicht durch dein Haar und dein Blick schweift über eine unendlich weite Landschaft. Grüne Hügel, so weit das Auge reicht, die in der Ferne in einem blauen Schleier verschwimmen. Die Mauer unter dir ist ein Teppich aus Geschichte, jeder Stein erzählt eine Geschichte von Jahrtausenden. Du gehst über die breiten Mauern, manchmal durch die engen Torbögen der Wachtürme, wo es kühl und schattig ist. Von den Zinnen aus kannst du dir vorstellen, wie die Wachen einst Ausschau hielten, und du spürst eine tiefe Verbindung zu dieser fernen Vergangenheit. Hier oben ist die Welt still, nur das Pfeifen des Windes und das leise Knirschen deiner Schritte auf dem alten Stein.
Und dann kommt dieser Moment, wo der Weg steiler wird, fast wie eine Himmelsleiter. Die Stufen sind hoch und schmal, deine Hände greifen nach den Geländern, die deine Muskeln zusätzlich fordern. Es ist anstrengend, aber die Herausforderung lässt dich leben. Oder du erreichst den "Wassertor"-Abschnitt, wo die Mauer scheinbar ins Tal hinabtaucht und ein Fluss unter ihr hindurchfließt. Die Luft ist hier kühler, feuchter, und du hörst das leise Plätschern des Wassers. Jeder Abschnitt hat seine eigene Persönlichkeit, seine eigenen Überraschungen, die dich immer wieder staunen lassen.
Der Abstieg ist anders, deine Beine sind müde, aber dein Herz ist voller Dankbarkeit. Du blickst noch einmal zurück auf die Mauer, die sich majestätisch in die Landschaft einfügt, und spürst ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit. Der Duft von feuchter Erde und Moos steigt dir entgegen, während du langsam wieder ins Tal kommst. Die Geräusche werden wieder etwas lauter, aber in dir klingt die Stille der Mauer nach. Es ist ein Gefühl, etwas Großes erreicht zu haben, nicht nur körperlich, sondern auch emotional.
Okay, von den Gefühlen mal zu den Fakten: Wie kommst du überhaupt hin? Huangyaguan ist nicht direkt um die Ecke von Peking, rechne mit etwa 2-3 Stunden Fahrt, je nach Verkehr. Am einfachsten ist ein privater Fahrer oder ein Taxi, das dich hinbringt und wieder abholt. Es gibt auch Busse von der Dongzhimen Bus Station, aber das ist eher etwas für Abenteurer, da die Verbindungen manchmal kompliziert sein können und du eventuell umsteigen musst. Die beste Zeit für einen Besuch ist der Frühling (April/Mai) oder der Herbst (September/Oktober), wenn das Wetter mild ist und die Natur in voller Pracht steht. Im Sommer kann es heiß und schwül werden, im Winter sehr kalt und eisig. Zieh unbedingt bequeme Wanderschuhe mit gutem Profil an, denn die Stufen sind uneben und manchmal rutschig.
Und noch ein paar Kleinigkeiten, die den Tag einfacher machen: Nimm auf jeden Fall genug Wasser mit, besonders wenn du im Sommer gehst. Oben auf der Mauer gibt es kaum Verpflegungsmöglichkeiten. Ein paar Snacks sind auch nie verkehrt. Sonnenschutz (Hut, Sonnencreme) ist wichtig, da es wenig Schatten gibt. Toiletten gibt es am Eingang und manchmal bei den größeren Wachtürmen, aber erwarte keinen Luxus. Die Mauer ist hier weniger überlaufen als die bekannten Abschnitte wie Badaling oder Mutianyu, aber an Wochenenden oder Feiertagen kann es trotzdem voll werden. Wenn du die Ruhe suchst, komm unter der Woche. Es gibt auch Seilbahnen oder Sessellifte, die dich einen Teil des Weges nach oben bringen können, falls du nicht alles zu Fuß gehen möchtest oder kannst – das ist eine gute Option, um die Beine zu schonen und trotzdem die Aussicht zu genießen.
Bis bald auf neuen Wegen,
Olya von den Seitenstraßen