Stell dir vor, du stehst in Hanois Altstadt, und plötzlich zieht dich ein Geruchsteppich in seinen Bann: eine Mischung aus Gewürzen, gebratenem Essen und feuchter Erde. Du hörst ein unaufhörliches Summen – das ist nicht nur Verkehr, das sind tausend Gespräche, das Klappern von Geschirr, das Knattern von Mopeds, die selbst hier noch ihren Weg finden. Das ist der Dong Xuan Markt, und er umarmt dich schon, bevor du ihn überhaupt betreten hast. Du spürst die Energie der Menschenmenge, die dich sanft, aber bestimmt vorwärts schiebt, und die Luft ist nicht nur warm, sie vibriert förmlich vor Leben. Du gehst nicht einfach nur hin, du wirst hineingezogen, als ob der Markt selbst dich willkommen heißt.
Sobald du durch die großen Tore trittst, ändert sich die Akustik. Das Summen wird zu einem vielstimmigen Chor von Verkäuferrufen, Lachen und dem Rascheln von Stoffen. Dein Blick, oder vielmehr dein Tastsinn, wird von Bergen aus Textilien angezogen – Seide, Baumwolle, in allen Farben und Mustern. Du könntest deine Hände durch Stapel von T-Shirts gleiten lassen oder die kühle Glätte von Seidenschals fühlen. Daneben riechst du den scharfen Duft von Räucherstäbchen, der sich mit dem erdigen Geruch von getrockneten Kräutern mischt. Die Gänge sind eng, und du spürst ständig leichte Berührungen von Schultern oder Taschen, während du dich durch die Menschen schlängelst. Es ist ein Tanz, bei dem alle mitmachen, auch wenn sie es nicht wissen. Wenn du etwas Spezielles suchst, frag einfach. Die Verkäufer sind meist freundlich, auch wenn die Kommunikation manchmal etwas Geduld erfordert. Ein Lächeln und ein paar Worte auf Vietnamesisch (oder einfach Gesten) öffnen oft Türen.
Gehst du die Treppen hinauf, ändert sich das Angebot und damit auch die Atmosphäre. Oben wird es ein wenig ruhiger, die Gänge sind vielleicht einen Hauch breiter. Hier findest du eher Haushaltswaren, Elektronik oder auch mal Spielzeug. Du hörst das leise Surren von Ventilatoren, das Klirren von Plastikwaren und das sanfte Klicken von Computertastaturen. Die Luft ist hier nicht ganz so dicht wie unten, aber immer noch erfüllt vom Geist des Handels. Auch hier gilt: Schau dir die Dinge genau an, bevor du kaufst. Die Qualität kann stark variieren, und Handeln ist fast schon Pflicht. Fang immer bei etwa der Hälfte des genannten Preises an und arbeitet euch dann langsam hoch. Es ist ein Spiel, und es macht Spaß, wenn man sich darauf einlässt.
Nach all dem Trubel zieht dich der unwiderstehliche Duft von frischem Essen an. Rund um den Markt und in einem Teil des Erdgeschosses findest du kleine Garküchen, die köstliche vietnamesische Spezialitäten anbieten. Du schmeckst die würzige Süße einer Pho Bo, das Knistern einer frittierten Frühlingsrolle oder die zitronige Frische eines Eistees. Setz dich auf einen der kleinen Plastikhocker, die sich fast schon ungemütlich anfühlen, aber genau das macht das Erlebnis aus. Du spürst die Hitze der Suppe, die deine Kehle wärmt, während um dich herum das Leben tobt. Die Gerüche von Koriander, Fischsauce und gebratenem Fleisch sind so intensiv, dass sie fast schon einen Geschmack haben. Such dir einfach den Stand aus, an dem die meisten Einheimischen sitzen – das ist meistens ein gutes Zeichen.
Wenn du den Markt wieder verlässt, fühlt sich die Außenwelt seltsam still an, obwohl der Verkehr immer noch tobt. Deine Sinne sind geschärft, vielleicht ein wenig überreizt, aber auch erfüllt. Du trägst nicht nur Souvenirs mit dir, sondern auch die Erinnerung an Gerüche, Geräusche und Berührungen, die dir niemand nehmen kann. Deine Füße schmerzen vielleicht ein wenig, aber dein Herz ist voller Eindrücke. Von hier aus ist es nur ein Katzensprung zum Hoan Kiem See, wo du bei einem Spaziergang am Ufer die Eindrücke sacken lassen kannst.
Olya from the backstreets