Stell dir vor, du sitzt in einem Zug, der sich langsam aus dem dichten Grün der Schweizer Voralpen schält. Die Luft wird kühler, klarer, und du spürst schon, wie sich deine Lungen mit dieser unvergleichlichen Frische füllen. Die Häuser werden kleiner, die Bäume lichter, und dann, plötzlich, öffnen sich die Wolken wie ein Vorhang, und vor dir thronen sie: die Gipfel. Eine Mischung aus Ehrfurcht und kindlicher Vorfreude kribbelt in deinem Bauch. Engelberg liegt friedlich da, aber dein Blick ist schon am Horizont, wo der Titlis majestätisch in den Himmel ragt, weiß und unnahbar.
Du schwebst förmlich nach oben. Erst in einer kleinen Gondel, die dich über sanfte Almwiesen trägt, wo du im Sommer noch das leise Bimmeln der Kuhglocken hören könntest. Dann steigst du um, und plötzlich dreht sich alles. Nein, du hast keinen Schwindel, es ist die Rotair – die erste drehbare Gondel der Welt! Du musst dich nicht bewegen, die Gondel macht die Arbeit für dich. Dein Blick gleitet langsam über die sich entfaltende Landschaft: tiefgrüne Täler weichen felsigen Graten, dann tauchen die ersten Schneefelder auf, und die Luft wird merklich kälter. Du spürst ein leichtes Ziehen in den Ohren, als der Druck abnimmt, und mit jedem Höhenmeter wird die Welt unter dir unwirklicher, ein gemaltes Panorama.
Der Wind umspielt dich schon, als sich die Türen öffnen und du auf die oberste Plattform trittst. Stell dir vor, du atmest ein – und die Kälte ist so intensiv, so rein, dass sie dir fast die Lunge zuschnürt, bevor sie sich mit dem Duft von Eis und Schnee füllt. Unter deinen Füßen knirscht der Schnee, als würdest du auf Zucker gehen. Dein Blick muss sich erst an das gleißende Weiß gewöhnen, das sich bis zum Horizont erstreckt, unterbrochen nur von den schroffen, dunklen Spitzen anderer Gipfel, die wie Haifischflossen aus dem Meer aus Eis ragen. Du hörst ein Gemurmel von Stimmen, ein Lachen, und das ständige Pfeifen des Windes, der die Weite des Hochgebirges in sich trägt.
Du betrittst eine andere Welt, wenn du in die Gletschergrotte eintauchst. Stell dir vor, das Licht wird gedämpft, taucht alles in ein unwirkliches, tiefes Blau, das von den Eismassen reflektiert wird. Du hörst das leise Tropfen von Schmelzwasser, das sich seinen Weg durch Jahrtausende altes Eis bahnt. Die Luft ist hier drinnen noch kälter, feucht und eisig, und du spürst die Kälte durch deine Kleidung dringen, während du an den glitzernden, glatten Eiswänden vorbeigehst. Es ist, als würde die Zeit stillstehen, gefangen in einem ewigen Winter, tief im Herzen des Berges.
Deine Füße setzen auf den Gitterrost, und du spürst sofort die Luft unter dir, die tausend Meter tiefer liegt. Das ist der Cliff Walk, die höchste Hängebrücke Europas. Der Wind pfeift dir um die Ohren, und du musst dich festhalten, um nicht zu schwanken, obwohl die Brücke stabil ist. Du blickst hinab, und für einen Moment setzt dein Herzschlag aus. Unter dir ist nichts als gähnende Leere, ein Abgrund, der sich bis zu den Felswänden erstreckt. Du spürst das Adrenalin durch deine Adern pumpen, ein prickelndes Gefühl aus Angst und unglaublicher Freiheit. Es ist ein kurzer Weg, aber jeder Schritt ist eine Überwindung, und am Ende stehst du da, atmest tief durch und bist einfach nur stolz auf dich.
Also, was mir wirklich gefallen hat, war die komplette Reise dahin. Das mit der Rotair-Gondel ist echt ein Highlight, das hat mich total überrascht, wie ruhig die sich dreht und was für eine Aussicht man dabei hat. Auch die Gletschergrotte ist beeindruckend, weil es so eine ganz andere Atmosphäre ist als draußen. Was nicht so gut funktioniert hat, waren die Menschenmassen. Besonders auf dem Cliff Walk war es schon sehr voll, und man musste sich teilweise anstellen, um ein Foto zu machen. Das nimmt ein bisschen die Magie. Und klar, es ist die Schweiz, es ist teuer. Rechne mit hohen Preisen für die Gondelfahrt und alles, was du oben kaufst. Mein Tipp: Geh so früh wie möglich hin, direkt zur ersten Gondel. Dann hast du die Gletschergrotte und den Cliff Walk fast für dich allein, bevor die Busse kommen. Und zieh dich wirklich warm an – Mütze, Handschuhe, Schal sind Pflicht, selbst wenn unten die Sonne scheint. Das Wetter kann sich da oben in Minuten ändern. Sonnenbrille nicht vergessen, der Schnee blendet extrem!
Alles in allem ist der Titlis ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Ja, es ist touristisch und teuer, aber die Aussicht und das Gefühl, auf diesem gigantischen Gletscher zu stehen, sind einfach atemberaubend. Es ist eine dieser Reisen, die dich daran erinnern, wie klein wir im Angesicht der Natur sind, und wie unglaublich schön unsere Welt ist. Trotz der kleinen Kritikpunkte würde ich es sofort wieder machen.
Olya von den Hinterhöfen