Stell dir vor, du bist in Barcelona, mitten im Eixample, und dann siehst du es: Die Fundació Antoni Tàpies. Schon von Weitem fängt dein Blick dieses riesige, surreale Gebilde auf dem Dach ein – ein Stuhl, umwickelt von einem Drahtgeflecht, das wie eine Wolke aussieht. Es ist wie ein Ausrufezeichen in der Stadt, das dich schon vor dem Betreten zum Nachdenken bringt. Du spürst die Energie der Straße, die Wärme des katalanischen Steins unter deinen Füßen, und dann dieses Kunstwerk, das dich fragt: Was ist das? Was bedeutet es? Es ist Tàpies' Art, dich willkommen zu heißen, direkt in seine Welt, die oft rau, erdverbunden und doch so poetisch ist.
Wenn du dann eintrittst, lass die Hektik der Stadt hinter dir. Die Luft drinnen ist anders, ruhiger, fast ehrfürchtig. Starte im Erdgeschoss, wo die Dauerausstellung zu Hause ist. Hier geht es nicht um glänzende Oberflächen oder perfekte Formen. Im Gegenteil. Du siehst Leinwände, die fast wie alte Mauern wirken, Materialien, die er gesammelt und verbaut hat – Sand, Stofffetzen, Holz. Stell dir vor, du gehst ganz nah ran, so nah, dass du fast die Textur fühlen kannst, die Poren der Farbe, die Schwere der Materialien. Hör genau hin, vielleicht hörst du das leise Knistern alter Stoffe oder das Echo deiner Schritte im ruhigen Raum. Tàpies' Kunst ist eine Einladung, zu fühlen, zu tasten, zu spüren, anstatt nur zu sehen. Nimm dir Zeit, denn jedes Detail erzählt eine Geschichte von Zeit und Vergänglichkeit.
Danach, bevor du dich in die oberen Etagen wagst, mach einen Abstecher in die Bibliothek. Das ist kein Ort, wo man nur Bücher ausleiht; es ist Tàpies' persönliche Sammlung, seine Inspirationsquelle. Du hörst vielleicht das leise Rascheln von Seiten, wenn jemand blättert, oder einfach nur die Stille, die hier herrscht. Der Geruch von altem Papier und Leder liegt in der Luft, eine Mischung aus Wissen und Geschichte. Du kannst dich hier einfach umschauen, die Titel der Bücher lesen, die Regale entlangblicken. Es ist ein intimer Einblick in den Geist des Künstlers, ein Ort, um zu verstehen, woher seine Gedanken kamen. Du musst nichts lesen, nur die Atmosphäre aufsaugen – es ist wie ein stilles Gespräch mit ihm.
Die Fundació hat oft auch spannende Wechselausstellungen. Wenn du aber nur begrenzte Zeit hast oder dich wirklich auf Tàpies selbst konzentrieren möchtest, ist es absolut okay, diese zu überspringen. Manche sind thematisch sehr spezifisch oder zeigen andere Künstler, die nicht immer den gleichen Vibe haben wie Tàpies' eigene Werke. Deine Zeit ist kostbar, also sei ehrlich zu dir: Wenn es dich nicht sofort packt, wander einfach weiter. Du bist ja hier, um Tàpies zu erleben, nicht um alles zu sehen.
Das Beste kommt zum Schluss: der Weg aufs Dach. Geh die Treppen hoch oder nimm den Aufzug, aber lass dir diesen Moment nicht entgehen. Wenn du oben ankommst, umfängt dich sofort der Wind, der durch Barcelonas Straßen weht, und du hast einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Und da ist sie wieder, die Wolke mit dem Stuhl, aber jetzt bist du ihr ganz nah. Du kannst die einzelnen Drahtstränge erkennen, die Patina des Materials, die Art, wie das Licht darauf spielt. Stell dir vor, du stehst da, spürst die Sonne auf deiner Haut und den Wind im Haar, und blickst auf dieses Werk, das jetzt noch größer und symbolträchtiger wirkt. Es ist der perfekte Abschluss, denn es verbindet das Innere des Museums mit der Stadt, die Tàpies so geliebt hat. Es ist ein Moment der Reflexion, ein Gefühl von Weite und Freiheit, bevor du wieder in das lebendige Treiben der Stadt eintauchst.
Léa auf Entdeckungstour