Stell dir vor, du trittst aus dem gleißenden Licht des Yosemite Valley in eine Welt, die sich sofort anders anfühlt. Der Lärm verstummt, als ob ein unsichtbarer Schalter umgelegt würde. Du hörst nur noch das leise Rauschen des Windes hoch oben in den Wipfeln, ein Summen, das älter ist als jede menschliche Erinnerung. Die Luft hier ist anders. Sie ist kühl und feucht, selbst an einem heißen Tag, und sie trägt einen Geruch, den du sonst nirgends findest. Es ist nicht nur der Geruch von Kiefernadeln, den du erwartest. Nein, es ist etwas Tieferes, Erdigeres, fast Süßlich-Harziges, das sich mit der kühlen, feuchten Luft vermischt und dich sofort umhüllt. Du atmest tief ein und spürst, wie sich deine Lungen mit dieser uralten Stille füllen. Du gehst die ersten Schritte auf dem weichen Waldboden, und jeder Schritt ist gedämpft, als würdest du auf einem Teppich aus Zeit wandeln.
Zum Mariposa Grove kommst du am besten mit dem kostenlosen Shuttlebus, der vom Parkplatz am südlichen Eingang abfährt. Der Parkplatz selbst füllt sich schnell, besonders im Sommer, also sei früh da. Alternativ kannst du auch den zwei Meilen langen, leicht ansteigenden "Washburn Trail" vom Parkplatz aus zu Fuß gehen, wenn du Lust auf eine kleine Wanderung hast, bevor du überhaupt bei den Riesen bist. Denk dran: Dein eigenes Auto darf nicht direkt in den Grove fahren, es sei denn, du hast eine spezielle Genehmigung.
Dann stehst du plötzlich da. Dein Blick wandert unweigerlich nach oben, immer weiter, bis dein Nacken schmerzt und die Wipfel in den Wolken zu verschwinden scheinen. Du hebst deine Hand und siehst, wie winzig sie vor einem dieser roten Giganten wirkt. Jeder Baum hier ist ein lebendes Denkmal, eine Säule aus Geschichte, die Tausende von Jahren überdauert hat. Du fühlst dich klein, ja, aber nicht unbedeutend. Eher wie ein winziger Teil von etwas unermesslich Großem und Altem. Es ist ein Gefühl der Demut, fast Ehrfurcht, das dich durchströmt, wenn du die runzelige, rotbraune Rinde berührst, die sich kühl und fest unter deinen Fingern anfühlt.
Im Grove selbst gibt es verschiedene Wanderwege, je nachdem, wie viel Zeit und Energie du hast. Der 'Lower Grove' ist ein einfacher, barrierefreier Rundweg von etwa einer Stunde, der dich zu den berühmtesten Bäumen wie dem 'Grizzly Giant' und dem 'California Tunnel Tree' führt. Wenn du mehr sehen willst und fit bist, nimm den Weg zum 'Upper Grove'. Das ist eine längere Wanderung, die dich tiefer in den Wald bringt und zu weiteren beeindruckenden Sequoias wie dem 'Fallen Monarch' und dem 'Wawona Point' führt, wo du auch eine tolle Aussicht hast. Nimm unbedingt genug Wasser mit, auch wenn die Luft kühl ist, und zieh Schichten an, denn das Wetter kann sich schnell ändern.
Und dann ist da dieser ganz spezielle Geruch, den die Reiseführer nie erwähnen. Es ist nicht einfach nur Wald. Es ist der Geruch der uralten Rinde selbst, wenn die Sonne sie wärmt – eine Mischung aus Vanille, Rauch und etwas, das nur als 'Zeit' beschrieben werden kann. Du lehnst dich an einen Stamm und atmest tief ein, und es ist, als würdest du die Geschichte von Tausenden von Jahren in deine Lungen ziehen. Manchmal, wenn der Wind ganz still ist, hörst du ein leises Knistern, fast wie ein Flüstern, das von den Nadeln hoch oben kommt, wenn sie sich sanft reiben. Es ist ein Geräusch, das dich wissen lässt: Hier lebt etwas, das viel älter und weiser ist als du.
Lena auf dem Pfad