Stell dir vor, du lässt die Küste von Nizza hinter dir, die Sonne wärmt noch dein Gesicht, aber die Luft wird schon kühler, frischer, je höher du die Serpentinen hinaufkletterst. Jeder Blick in den Rückspiegel zeigt das Meer kleiner werden, glitzernd wie eine Million Diamanten. Dann, plötzlich, taucht es auf: Tourrettes-sur-Loup, ein Felsennest, das sich an den Hang klammert, als wäre es aus dem Stein selbst gewachsen. Du spürst sofort eine Ruhe, die dich umfängt, als hättest du einen unsichtbaren Schleier durchschritten. Der Duft von Rosmarin und wildem Thymian mischt sich mit der alten, staubigen Wärme der Steine, die die Sonne den ganzen Tag über gespeichert hat.
Du gehst durch die Porte du Sud, das alte Tor, und sofort umfängt dich eine andere Welt. Die Gassen sind so schmal, dass die Häuser sich fast berühren, und oben am Himmel siehst du nur einen dünnen Streifen Blau. Jeder deiner Schritte hallt leise von den alten Steinmauern wider, die so kühl sind, dass du instinktiv deine Hand darüber gleiten lässt. Spüre, wie die Sonnenstrahlen nur hier und da kleine Lichtinseln auf den Kopfsteinpflaster zaubern, fast wie Bühnen für die vielen kleinen Kunsthandwerkerläden, die sich in den Nischen verstecken. Du hörst vielleicht das leise Klopfen eines Meißels oder das Summen einer Stickmaschine – das Dorf lebt, aber es atmet langsam, im eigenen Rhythmus.
Und wenn du durch diese Gassen wanderst, ist es, als würde das Dorf dir seine Geschichten ins Ohr flüstern. Eine alte Dame, die auf einer Bank vor ihrem Haus sitzt und Blumen putzt, würde dir vielleicht erzählen, wie wichtig die Veilchen für Tourrettes sind. Sie würde dir erzählen, dass es Zeiten gab, da das Dorf fast vergessen war, die Jungen wegzogen und die Felder brachlagen. Aber dann, vor langer Zeit, haben ein paar mutige Bauern angefangen, die Veilchen intensiv anzubauen, diese kleinen, unscheinbaren Blumen, die so wunderbar duften und perfekt für Parfüm und Süßigkeiten sind. Sie haben das Dorf gerettet, ihm einen neuen Sinn gegeben. Noch heute siehst du im Frühjahr überall diese kleinen lila Wunder blühen – ein Versprechen, das das Dorf sich selbst gegeben hat.
Wenn du Hunger bekommst, such dir ein kleines Lokal, das 'Cuisine Niçoise' anbietet – die ist hier authentisch und oft hausgemacht. Probier unbedingt die 'Pissaladière' (eine Art Zwiebelkuchen) oder 'Socca' (Kichererbsenpfannkuchen) von einem Stand, falls du einen findest. Die vielen Künstlerateliers sind toll zum Stöbern, auch wenn du nichts kaufen willst. Und vergiss nicht den Blick von der Dorfkirche aus – da siehst du das Meer und die Berge gleichzeitig, einfach atemberaubend. Wenn du im Februar oder März da bist, ist das Veilchenfest ein Muss, aber das Dorf ist dann auch voller.
Von Nizza aus kommst du am besten mit dem Bus nach Tourrettes-sur-Loup – die Linie 400 fährt regelmäßig und ist super entspannt. Wenn du mit dem Auto fährst, gibt es Parkplätze am Ortseingang, aber sei gewarnt, die sind schnell voll, besonders an Wochenenden. Das Dorf selbst erkundest du am besten zu Fuß, die Gassen sind nicht für Autos gemacht. Nimm bequeme Schuhe mit, es geht manchmal etwas bergauf und bergab. Und plan genug Zeit ein, um einfach mal innezuhalten und die Atmosphäre auf dich wirken zu lassen. Handyempfang ist manchmal etwas wackelig, aber das ist ja auch mal ganz gut, oder?
Lina auf Reisen