Stell dir vor, du stehst am Fähranleger, der Wind spielt mit deinen Haaren und du atmest tief die salzige Luft ein. Die Fähre schaukelt sanft unter dir, ein leises Knarren der Taue und das gleichmäßige Rauschen der Wellen begleiten dich, während das Festland langsam kleiner wird. Du spürst, wie die Anspannung des Alltags von dir abfällt, mit jedem Meter, den du dich von der Küste entfernst. Es ist, als würdest du in eine andere Zeit reisen, noch bevor du überhaupt einen Fuß auf die Insel gesetzt hast. Das ist nicht nur eine Überfahrt, das ist der Beginn einer Verwandlung, ein Hineingleiten in eine tiefe Ruhe.
Wenn du dann von Bord gehst, spürst du sofort den weichen Boden unter deinen Füßen. Es gibt keine Autos hier, nur das leise Summen des Windes in den Gräsern und das ferne Kreischen der Möwen. Du beginnst deinen Weg, vielleicht barfuß, wenn das Wetter es zulässt, und lässt dich von der stillen Schönheit der Insel leiten. Jeder Schritt auf dem schmalen Pfad bringt dich näher, und dann, am Horizont, erhebt sich die imposante Silhouette der Iona Abbey. Sie ist nicht einfach nur ein Gebäude; sie ist ein Ankerpunkt in der Zeit, ein Ort, der Geschichten flüstert, die Tausende von Jahren alt sind.
Du näherst dich langsam, und die Luft wird kühler, je näher du den alten Steinmauern kommst. Du legst deine Hand auf die raue, von Wind und Wetter gezeichnete Oberfläche, spürst die Jahrhunderte unter deinen Fingerspitzen. Ein leichter, erdiger Geruch von altem Stein und feuchter Erde liegt in der Luft. Wenn du durch die großen, offenen Bögen trittst, hörst du, wie deine eigenen Schritte widerhallen, ein Echo, das sich mit den leisen Murmeln anderer Besucher und dem Flüstern des Windes mischt. Das Licht fällt in breiten Streifen durch die spärlichen Fensteröffnungen, malt Muster auf den blanken Steinboden und lässt die gewaltigen Mauern noch majestätischer wirken.
Im Inneren der Abtei, im Hauptschiff, spürst du die Weite des Raumes über dir. Deine Augen wandern die hohen Bögen und Säulen empor, die sich wie ehrwürdige Zeugen gen Himmel recken. Du kannst hier einfach verweilen, dich auf eine der alten Steinbänke setzen und die absolute Stille auf dich wirken lassen, nur unterbrochen vom gelegentlichen Flügelschlag einer Taube oder dem Geräusch eines fernen Glockenschlags. Erkunde die Kreuzgänge, wo das Licht sanfter durch die Arkaden fällt und eine besondere Ruhe ausstrahlt. Hier kannst du die detaillierten Schnitzereien an den Säulen bewundern, die biblische Szenen und keltische Muster zeigen – jede davon erzählt eine eigene, stumme Geschichte.
Außerhalb der Abteimauern, auf dem alten Friedhof, dem Reilig Òdhrain, spürst du das weiche Gras unter deinen Sohlen. Hier sind Könige und Heilige beigesetzt, und du kannst die kunstvoll verzierten, uralten Grabsteine und keltischen Kreuze betrachten, die sich gegen den Himmel abzeichnen. Ihre komplizierten Muster sind Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, und du kannst dir vorstellen, wie die Mönche einst diese Meisterwerke schufen. Nimm dir Zeit, zwischen den Gräbern umherzuwandern, die Inschriften zu entziffern und die Stille dieses heiligen Ortes auf dich wirken zu lassen. Es ist ein Ort der Besinnung, der dich mit der Geschichte und der Spiritualität von Iona verbindet.
Wenn du die Abtei wieder verlässt, nimmst du nicht nur Bilder, sondern ein Gefühl mit dir – ein Gefühl von tiefer Ruhe, von Verbundenheit mit etwas Größerem und Älterem. Du spürst die klare Luft auf deiner Haut und siehst den weiten Himmel über dir, und plötzlich scheinen die Sorgen des Alltags weit entfernt. Iona Abbey ist mehr als nur ein Ort zum Besichtigen; es ist ein Erlebnis, das deine Seele berührt und dir eine neue Perspektive schenkt.
Lana auf Wegen